Seattle-gray mit Profilierung

Da wir uns in absehbarer Zeit nicht weiter von unserem sicheren Hurricane Hole entfernen wollten, verzichteten wir darauf, die Segel wieder zu riggen. Verpackt in ihren Säcken sind sie auch vor der Sonne bestens geschützt, bis die Hurricane Saison vorbei ist. Statt in der Gegend umher zu segeln, suchten wir uns einen gemütlichen Ankerplatz in der Nähe des Restaurantstrandes. So braucht Reto nicht allzu weit zu rudern, wenn wir uns zum Pot Luck oder zum Bobing (in knietiefem Wasser sitzen und plaudern) am Strand treffen. Selbstverständlich wären Zusammenkünfte von mehr als fünf Personen verboten, um die Ansteckungsgefahr für Corona zu verkleinern, aber hier trafen sich A: immer die gleichen Leute und B: interessierte es niemanden, da wir ja alleine auf der Landzunge von Stocking Island waren. Reto schliff und lackierte quadratmeterweise, wenn er nicht gerade von einem Buch gefesselt wurde. Nachdem wir David von seiner Lesestoffknappheit erzählt hatten, hatte dieser ihm einen hüfthohen Stapel Bücher zur Verfügung gestellt, durch die sich Reto nun durcharbeitet. Die ersten 25 cm haben wir bereits zurückgegeben. Ausserdem befasste sich Reto mit grösseren Projekten. Um die komplette Steuerbordwand aussen zu streichen, befüllten wir nur einen der beiden 100-Gallonen-Tanks mit Frischwasser, weshalb Sea Chantey um einige Grad schief zu liegen kam. Wir ankerten in einer fast wellenlosen Bucht und vom Beiboot aus, strich Reto die Bordwand seattle-grau über seattle-grau.

Traurigerweise mussten wir einen kleinen Teil der Bordwand schon am Tag später erneut bearbeiten: Nämlich bat uns am folgenden Tag ein Mann in einem kleinen Motorboot doch den Ankerplatz zu wechseln, weil wir zu nahe an einem Mooringfeld lagen. Freundlich wie wir sind starteten wir den Motor und Reto zog den Anker hoch. Was wir dieses Mal – beide – nicht getan hatten, war Alianzas Seil zu kontrollieren, mit dem sie hinten an Sea Chantey angebunden war. Es liegt immer doppelt, von Alianza zu ihrem Anbindepunkt an Sea Chantey und zurück zu dem kleinen Faltanker, der in Alianza drin liegt. Leider befand sich das Sail zwischen Sea Chantey und Anker komplett im Wasser und hing lose. Sobald der Anker oben war, trieben wir nach hinten und das Beiboot stiess gegen das Heck. Damit wir nicht abtrieben, legte ich den Gang ein, der Propeller drehte sich und Alianzas Seil wickelte sich um die Propellerflügel. Das Seil am Dinghyanker wickelte sich auf, zog den Anker schwungvoll aus dem Dinghy, ertränkte Alianza fast und der Anker zog eine 5 mm tiefe Kerbe in die frisch gestrichene Bordwand. Panisch schaltete ich den Gang in neutral, damit der Propeller nicht mehr drehte, während Reto vom Bug aus nur «Abschalten! Abschalten!» befehlen konnte. Sobald der Motor aus war, warf er den Anker wieder über Bord und sprang ins Wasser. Er wickelte das Seil aus dem Propeller, kontrollierte Alianza, fluchte wie ein Rohrspatz – aber der Kratzer in der Bordwand war glücklicherweise der einzige Schaden. Auch Propeller und Welle überstanden meinen Anfängerfehler schadlos. Aber wie leid es mir um die frischgestrichene Bordwand tat, lässt sich nicht beschreiben. Wir füllten den Kratzer mit Holzspachtelmasse aus und streichen ihn erneut, wenn die Backbordseite sowieso drankommt, was gute zwei Wochen bereits von der List abgehakt wurde.

Belebte Grotte

Wir wären zwar früh genug angekommen, um die Höhle noch am gleichen Tag zu besuchen, aber die Hitze hatte uns unterwegs erdrückt, weshalb wir zu müde waren. So machte ich einen Tag später Sandwiche fürs Mittagessen in der Höhle. Auch Schnorchel und Maske sowie Badetücher packte ich ein. Mit dem Dinghy ruderten wir zum sogenannten Oven Rock, der mit seiner runden Form und dem Loch in der Meerseite an einen Pizza-Ofen erinnert. Wegen der Steine an der Wasserlinie trugen wir Alianza auf den Strand hinauf. Dann begann die Suche nach dem «Weg» zur Höhle. Am Strand war es brütend heiss, weil der Sand die Hitze reflektierte, aber schliesslich fanden wir den Weg in die Buschlandschaft hinein. Wir wanderten einen knappen Kilometer, ehe wir eine Abzweigung auf den Hügel fanden, doch dann standen wir plötzlich vor einem Loch im Blattwerk eines Busches. Der Busch entpuppte sich als Baum, der im Höhleneingang wuchs. Dem Stamm entlang, dann entlang der Wurzeln kletterten wir durch einen zehn Meter breiten Spalt in die Tiefe. Es war erfrischend kühl unter Tag, eine wunderbare Abwechslung an einem Ort, an dem es nachts über 25°C bleibt. Unter dem Hügel hatte sich eine grosse Grotte gebildet, in deren Mitte ein Felssturz riesige Trümmer aufgeschüttet hatte. Davor, im Rest des Tageslichts, hatte jemand eine Feuerstelle angelegt. Unter einem Tropfstein hatte jemand einen Eimer deponiert, in den von der Höhlendecke Süsswasser hinabtropfte. Anhand der Kalkkruste an seinem Rand steht der Eimer schon lange dort. Unsere Augen brauchten eine Weile um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, aber schliesslich sahen wir fast überall auch ohne Lampe. Der Grossteil der 500 m tiefen Höhle ist unter Wasser. In der nächsten Ortschaft hätte man Tauchausflüge in die Höhle buchen können, aber Höhlentauchen gehört zu den Dingen, die mir zu wenig einschätzbar sind. Dafür tauchte ausnahmsweise ich zuerst die Füsse ins Höhlenwasser. Es brauchte ein wenig Selbstüberwindung um ganz ins erfrischend kalte Süsswasser zu klettern. Der unterirdische See wird von einer Art Garnelen bewohnt – sehr freundliche, neugierige Garnelen, die auf einem Schwimmer herumkrabbeln und ihn kitzeln. Persönlich fand ich es ein bisschen eklig und ich quietschte einige Male, weil mich wieder so ein Tierchen an den Füssen kitzelte. Aber ich genoss das kühle Nass zu sehr, als dass die ungefährlichen kleinen Krebse mich verscheuchen konnten. Reto schien sich an den Tierchen weniger zu stören.

der unterirdische Badeort

Nach dem Bad packten wir das Mittagessen aus und stellten unsere Getränke ins kalte Wasser. Kaum hatten wir es uns gemütlich gemacht, kletterte die erste Touristengruppe durch den Spalt in die Höhle. Ein bisschen Höhle gucken, ein paar Fotos und schon verschwand die siebenköpfige Gesellschaft wieder. Wir assen und tranken gemütlich, aber sobald wir uns überlegten, ob wir es uns auf den Steinen zum Mittagsschläfchen gemütlich machen konnten, kletterte eine Familie mit zwei Teenie-Mädchen in die Grotte. Auch diese hatte den Aufstieg für ein paar Fotos gemacht und die Mädchen schienen davon sogar genervt – sie mussten ja auch dauernd für ihren Vater posieren. Sobald sie wieder verschwunden waren, legten wir uns tatsächlich eine halbe Stunde zum Dösen hin. Auf dem Heimweg stolperten wir über eine weitere Landkrabbe und Reto kletterte auf den Oven Rock.

diese Landkrabbe hat Angst vor Reto

Manchmal habe ich das Kochen von Teigwaren und Dosengemüse einfach satt, daher erbarmte sich Reto meiner. Wir langen «nur» eine Meile nördlich von Farmers Cay am Anker, das eine kleine Ortschaft beherbergt. Laut unseren Navionic-Karten gab es dort ein Strandrestaurant am Ende der Flughafenpiste oder den Jachtclub. Reto brachte uns trotz des stärker werdenden Gegenstroms zur Insel, zunächst entlang des Rollway zum Strandclub Ty’s. Wir brauchten nicht lange um festzustellen, dass geschlossen war und ich hatte schon ein schlechtes Gewissen gegenüber meinem Skipper, der den ganzen Weg gerudert war. Aber Reto gab so leicht nicht auf und brachte uns um das Nordkap der Insel gegen die einlaufende Flut zum Jachtclub. Die Tür stand offen! Aber der Besitzer schien dennoch nicht mit Kundschaft gerechnet zu haben, denn er fragte, ob es etwas Einfaches auch täte? Ich musste dringend meinen Reto füttern, also bestellte ich zwei Burger, Cola und Kalik. Bis Reto das Beiboot vertäut hatte und völlig verschwitzt zur Tür hereinkam, hatten wir Getränke bekommen. Wir machten es uns auf der Terrasse gemütlich. Ein ankommendes Transportschiff spielte für uns die Abendunterhaltung und auch ein paar Meeresschildkröten gab es von der Terrasse aus zu beobachten. Gerade Reto, der uns auch zurückrudern musste, genoss den Abend sehr.

Heiss in Staniel Cay

Der Plan war wie folgt: Müll entsorgen, Mittagessen in der Ortschaft, Proviant kaufen. Umsetzung? Nicht ganz so einfach!

Es war schon heiss als wir den Müll, der sich während der letzten zwei Wochen gesammelt hatte ins Dinghy verluden. Die Sonne brannte auf uns nieder als Reto uns zwei Meilen zum Thunderball Cave und dann an den kleinen Strand dahinter beförderte. Der Schweiss lief nur so über sein knallrotes Gesicht, in dem noch immer ein Sonnenbrand verheilte. Bei der verlassenen Thunderball Marina landeten wir und schleppten unsere Sammlung von Kehricht, Einmachgläsern und Konservendosen auf die Strasse hinauf. Wir hätten natürlich auch beim Jacht Club entsorgen können. Aber warum $6.50 je Sack bezahlen, wenn wir 500 Meter weiter paddeln können und den Müll gratis direkt auf die Deponie bringen, wo er am Ende sowieso landet? Hundert Meter mussten wir unsere Säcke über die brütend heisse Strasse zurücktragen, ehe wir vor dem riesigen, rauchenden Loch standen. Eine enorme schwarze Wolke stieg aus der Mulde auf, um die eine Strasse führte. Wir stiessen unseren Müll hinein und spürten die Hitze des brennenden Kehrichts. Trotz des Gestanks sahen wir uns um, weil die Dinge auf der Mülldeponie spannend anzusehen waren. In der Mitte der Mulde sammelte sich alles, was nicht brannte, in einem giftigen, schwarzen Haufen, während rund herum Plastik und Holz verbrannte. Triefend nass vor Schweiss kehrten wir zum Dinghy zurück und ruderten zum Jacht Club hinunter, dessen Restaurant sicher geöffnet haben würde.

Schutt, Asche und Schadstoffe

Nur wird wegen des Corona-Virus nicht nur eine Maske verlangt (was wir natürlich hatten), vor der Restaurant-Tür wird auch die Körpertemperatur mit einem Laser-Messgerät genommen. Bei Reto mass die Rezeptionistin 43°C! Logischer weise konnte Reto nicht solch hohes Fieber haben, aber eintreten in das klimatisierte Restaurant durften wir deshalb nicht. «Ihr müsst ein wenig abkühlen», meinte die Türsteherin und verwies uns an ein Tischchen im Schatten. Wir stellten uns im Schatten in den Wind, aber als sie nach einer Viertelstunde wieder unsere Temperatur nahm, waren wir immer noch zu heiss. Dafür servierte sie uns schon einmal zwei kalte Getränke. Auch ein Becher voll Eiswürfel kühlte uns aber nicht genug, um ins Restaurant eintreten zu dürfen. Aber die Türsteherin hatte noch einen Trick: «Um die Ecke ist ein Pool mit einer Dusche. Geht euch ein bisschen kalt abspritzen, dann klappt das mit der Temperatur.» Kopfschüttelnd und inzwischen sehr hungrig stellten wir uns unter die Dusche, liessen uns vom Wind trocknen, lüfteten unsere Kleider und fassten den Entschluss, dass dies der letzte Versuch sein würde. Wenn die Dusche uns nicht genug kühlte, dann würden wir nicht vor dem Abend abkühlen. Aber diesmal durften wir endlich das klimatisierte Restaurant betreten, in dem wir in nur fünf Minuten so sehr abgekühlt wären, wie draussen unter der Dusche in 45 Minuten. Glücklich bestellten wir Fish Burger und Club-Sandwich, dazu kalte Cola!

Wir legten mit dem Dinghy direkt am Pier des kleinen General Stores an. Die Auswahl war nicht der Irrsinn, dafür die Preise. Alle Lebensmittel werden von Nassau oder von Florida her mit dem Boot geliefert und in Staniel Cay kommt noch die Touristen Marche obendrauf. Jedoch mochten wir den kleinen Inselladen, der zumindest von allem etwas hatte. Ich kaufte uns ein Bisschen frisches Gemüse, Früchte und Fleisch zum Abendessen, ausserdem ein Spray gegen Mücken und 40 Pfund Eis – es musste ja nur ein paar Tage halten. Zum ersten Mal seit langem bekamen wir wieder einmal Blockeis, welches etwas langsamer schmilzt und damit ganze 4 Tage hält. Bis dahin würden wir alle Lebensmittel verbraucht haben, die man kühlen muss und Reto würde danach wieder warmes Bier trinken müssen. Im Beiboot schichtete ich alle anderen Einkäufe über dem Eis auf, damit es möglichst wenig von der prallen Sonne zu spüren bekam. Reto ruderte uns zurück und durfte dafür Pause machen, bis ich alles verstaut hatte, dann gönnten wir uns den Sun Downer am Cruisers Beach.

Shroud Cay

Auch auf unseren Seekarten sind die Wasserläufe von Shroud Cay vermerkt, weshalb Reto nur ein Foto zu machen brauchte, um die Mangroven erkunden zu gehen. Ich packte Wasser und Lunch ein, denn Reto würde zwei Meilen rudern, bevor wir Camp Threepwood und «The Rapids» erreichen würden. Mit T-Shirt, Hosen, Hüten, Sonnenbrillen und Sonnencreme geschützt bestiegen wir unsere kleine Alianza und Reto ruderte los. Wir folgten der Küste rund um eine Landzunge und erblickten den Wasserlauf, auf dem wir von der nördlichen Lagune zurückkehren wollten. Etwas weiter nördlich ankerte ein Motorkatamaran. An einem Strand mit ein paar kargen Bäumen landeten wir, um die Umgebung zu erkunden. Von Schatten war nicht viel zu finden, dafür beobachteten wir Eidechsen, diverse Vögel und ich entdeckte sogar ein Küken, welches sich unter einem Gestrüpp versteckte. Dann stachen wir durch den nördlichsten Wasserlauf ins Innere der Insel vor. Das flache Gelände war mit Hüfthohen Mangroven bewachsen. Der Wasserlauf hatte sich eine zwischen zwei Meter und 30 cm tiefe Kerbe in den Untergrund gefressen, dem wir folgten. Sicher eine Meile lang ruderte Reto durch die Schlangenlinien des Wasserlaufs, ehe wir die andere Seite der Insel erreichten. Bei den sogenannten Rapids handelt es sich um eine schmale Lücke zwischen der Hügelkette, die die Insel umranden. Bei Flut läuft Seewasser rapid über die vorgelagerte Sandbank in die Lagune, wobei ein Strom von Ost nach West entsteht. Davon sahen wir aber noch nichts, weil das Wasser am frühen Nachmittag noch nicht genug hoch stand. Auch die Reste von Camp Threepwood mussten wir suchen. Wir hatten auf etwas Schatten und vielleicht sogar einen Picknicktisch gehofft, doch nachdem wir auf den Hügel geklettert waren, fanden wir nur eine Gedenktafel. Camp Threepwood hatte wohl schon im zweiten Weltkrieg keinen Tisch gehabt, als es noch ein aktiver Radarstandort gewesen war. Wir quetschten uns schliesslich hinter einen Felsen, um etwas Schatten zu haben, während wir unseren Salami verdrückten.

Vermutlich hätten wir uns nach der Mittagspause auf den Heimweg gemacht, wenn nicht ein motorisiertes Dinghy den Strand von Alianza angesteuert hätte. Ein Paar im Pensionsalter stieg aus, während wir die Picknickreste verstauten. Reto kam natürlich bald mit ihnen ins Gespräch, weshalb wir erfuhren, dass wir für die Rapids zu früh seien. Ihr Plan war zu baden bis die Flut über die Sandbank strömen würde und sie sich mit dem Dinghy durch die Kanäle zwischen den Mangroven auf die andere Seite der Insel spülen lassen wollten. Reto und ich unternahmen einen Spaziergang über die Bank, solange es noch möglich war und setzten uns dann in «social distance» zu dem Paar ins Wasser. Wir plauderten gut zwei Stunden, während das Wasser im Kanal immer schneller floss und die Sandbank immer tiefer unter Wasser lag. Schliesslich entschieden wir, es sei an der Zeit. Wir hüpften ins Dinghy und liessen uns in die Lagune spülen. Wir sausten über den Salzwassersee. Reto bewegte die Ruder nur um zu Steuern, ansonsten bewältigte sich die erste Hälfte des Heimwegs wie von alleine. Von der Inselmitte aus musste Reto sich wieder etwas in die Riemen legen, um die Bucht mit dem Motorkatamaran zu erreichen. Brixter merkten wir uns den Namen, ohne zu wissen, dass wir den Katamaran wiedersehen würden. An unserem kleinen Privatstrand mit der Mooring-Kasse kühlten wir uns ab, bevor Reto uns nach Hause brachte.

Endlich Exuma!

Das Gewitter hatte uns verpasst, aber ein Regenschauer traf uns mit voller Wucht. Der Regen prasselte fadengerade auf uns nieder während wir nach Südosten unterwegs waren. Fast versetzte uns das Wetter nach Nova Scotia zurück, ich für meinen Teil packte sogar die Ölzeugjacke aus. Reto liess sich während seiner Wache einweichen. Bald war die Wolke vorübergezogen und wir konnten mit angemessenem Licht die sehr seichte Yellow Bank überqueren. Ich steuerte, Reto stand auf dem Bug und hielt Ausschau nach Korallenköpfen. Wir staunten nicht schlecht, als das kleine Fischerboot plötzlich auf uns zufuhr. Noch mehr staunten wir, als die Insassen (offenbar doch keine Fischer) nach dem Weg nach Nassau fragten! Reto gab ihnen die Richtung, aber wir sorgten uns dennoch etwas um die zwei Männer. Kaum hatten wir die Bank hinter uns, holte uns die nächste Regenwolke ein und wir wurden erneut geduscht. Doch trocknete das Deck fast bis Land in Sicht kam. Durch wunderbar klares, blaues Wasser fuhren wir zwischen die Allen Cays und warfen den Anker in der Bucht einer Hufeisenförmigen Insel. Reto versuchte den Pflugscharanker in den Boden zu ziehen, aber wir konnten von oben sehen, dass er sich nicht eingrub. Daher ging ich baden, um den Anker mehr in den Boden zu rammen. Die Pflugschaufel stiess auf harten Boden, eingraben fast unmöglich, doch der Anker hielt uns fast zwei Tage an Ort und Stelle. Trotzdem hielten wir Ankerwache und standen in dieser Nacht abwechselnd auf, um unsere Position zu kontrollieren.

Nach dem Frühstück liessen wir das Dinghy ins Wasser. Allen Cay ist bekannt für die Iguanas, die hier Leben und von den vorbeikommenden Besuchern gefüttert werden. Auf der östlichen Insel waren schon zwei kleine Motorboote an den Strand gefahren. Wir erkundeten zunächst den kleinen Strand gleich neben uns, wo wir Muscheln und Einsiedlerkrebse zu Hauf fanden. Dann verschoben wir an den Strand in der Hufeisenbeuge. Schon beim Aussteigen huschte eine Iguana davon. Eine 60 cm lange Eidechse mit Kamm und voluminösem Kehlkopf betrachtete uns kritisch, bevor sie sich versteckte. Auf uns wirkten sie nicht als ob sie Fütterung gewohnt wären. Wir durchwanderten die Insel zwischen niederen Palmen hindurch zur anderen Seite und zurück, wobei die Iguanas vor uns flüchteten. Reto erklomm den Hügel zur östlichen Seite des Hufeisens, auf der ein hoher Steinturm stand, während ich im Wasser spazieren ging. Danach setzten wir uns in den Schatten des einzigen, echten Baumes und beobachteten die Iguanas und hunderte von winzigen Einsiedlerkrebsen beim herumschleichen. Die Warnung in unserer Karte schien berechtigt zu sein: Viele der Echsen besuchten den rostigen Rest eines Grills, von dem sie angeblich das Fleisch herunterstahlen, wenn man sein Steak nicht genügend bewachte. Reto ruderte uns später weiter an den Strand, an welchem wir die anderen Touristen gesehen hatten, aber auch dort wollten die Iguanas nicht gefüttert werden. Dennoch kamen gleich vier grosse Miet-Katamarane an, während wir zu Sea Chantey zurückruderten. Sie stammten lustigerweise alle aus Palm Cay, wie wir an den Namen erkannten. Doch machten sie sich nach zwei Stunden Baden und Iguanas füttern wieder auf und Allens Cay wurde wieder so einsam wie zuvor.

Quarantäne-Abenteuer III: Regen

Nach Wochen der stehenden Hitze war schon dieser erfrischende Wind ein echter Segen. Wir hatten uns bis letzte Woche noch immer nicht richtig an dieses Klima gewöhnt und sehnten uns nach dem kalten Norden: Zum Vergleich, wir befinden uns auf dem gleichen Breitengrad wie die Sahara. Nun betrachteten wir aber mittel Woche abends eine dunkelgraue, blitzende Gewitterwolke am nördlichen Himmel. Aber aus der Erfahrung wussten wir, dass diese so schnell verschwinden konnte wie sie aufgetaucht war. Ich schlief wegen des wunderbaren, kühlen Windes in der folgenden Nacht sogar auf dem Deck ohne nass zu werden. Weil das Deck aber etwas unbequem war, erwachte ich früh und machte Kaffee. Während des Frühstücks beobachteten wir dauern diese schwarze Wolke. Der Wind frischte weiter auf. Als wir entschieden die Dachluken zu schliessen, begann es ohne weiter Vorwarnung wie aus Eimern zu schütten! Erst schlossen wir alle Dachluken, dann die Bullaugen, weil das aufprallende Wasser auf dem Deck hereinspritzte, danach steckten wir die hölzerne Tür in den Niedergang. Leider erinnerten wir uns erst dann an das Dinghy. Weil es am Tag vorher abgesoffen war, weil die Schraube im Abfluss nicht mehr dicht war, hatte Reto diese mit einem sehr dichten Holzzapfen ersetzt und es an die Davits gehängt. Wenn der Regen unsere Alianza mit Wasser füllte, bestand die Gefahr, dass die Davits dem Gewicht nicht mehr standhielten und ausrissen! Heldenhaft (wie er sich vielleicht vorkam) zog sich Reto komplett aus, sprang aus der Schiebeluke über das Holztürchen und löste die Halteseile, mit denen das Beiboot an den Davits aufgezogen war. Mein Auftrag war ihm ein trockenes Handtuch zu besorgen – dabei hatte ich andere Probleme! Durch die Sonneneinstrahlung war unser Deck stark ausgetrocknet und nicht mehr dicht. Es tropfte überall in unsere Betten, direkt von der Decke ins WC und in die Küche. Ich kramte also das einzige Badetuch unter der Sitzbank hervor, dass nicht draussen «zum Trocknen» aufgehängt war. Bis dahin war ein pitschnasser, sehr erfrischter Reto wieder in die Kabine geklettert. Er bekam das Handtuch und ich verteilte Schalen, Töpfe und Tücher unter dem tropfenden Deck. Natürlich zu spät, alles war schon nass. Kein Wunder, auf dem Deck stand das Wasser fünf Zentimeter tief. Wir machten es uns an den trockenen stellen bequem und taten, was man an regnerischen Tagen tut: Wir sahen einen Film.

leider sieht man nicht wie tief das Wasser an Deck ist

Bis Baron von Münchhausen die Stadt gerettet hatte, war der Monsun vorbei und das Deck schon wieder trocken. Wir schafften nun alle Tücher zum Trocknen an Deck. Ausserdem pumpten wir unser armes, halb ertrunkenes Dinghy aus. Die Bettdecken mussten aber abends in den Trockner.

Hoffmann’s Cay

In zwei Tagesetappen erreichten wir Hoffmanns Cay, eine kleine Insel auf der Ostseite der Berry Islands Inselgruppe. Wir versteckten Sea Chantey hinter der Nebeninsel vor dem Ostwind, um zwei Tage zu bleiben. Mein Zustand der dauernden Übelkeit hatte sich in eine dauernde Antriebslosigkeit verwandelt, die aber allmählich wich. Diesmal machte dennoch ich die Ankerwache, während die Jungs die Ersterkundung der Insel in Angriff nahmen. Sie schwärmten bei ihrer Rückkehr von der Lagune und dem blauen Loch, dass es mich fast ärgerte. Am nächsten Tag gingen wir zu Dritt auf Erkundung. Vom Ankerplatz aus ruderte Richard uns in Alianza nach Norden, vorbei an einem kleinen Strand, den eine Familie mit Kindern besetzt hatte. Auch am langen Strand ruderten sie mich vorbei, dann bogen wir in eine grossflächige, seichte Lagune ein. Hier tummelten sich Meeresschildkröten im knietiefen Wasser, die vor unserem Dinghy flüchteten. Ich war erstaunt, wie schnell sie schwimmen können, wir hatten nicht das Glück eine von nahem zu sehen. Dafür entdeckten wir Anemonen zwischen den Wasserpflanzen und bestaunten die Mangroven. Dann ruderten wir zurück zum grossen Strand, wo wir das Dinghy zurückliessen. Barfuss liefen wir einem mit Laub und Sand bedeckten Pfad nach der sehr plötzlich auf einer steinernen Platte endete. Unter uns lag das blaue Loch mitten in der Insel und tiefblau. «Lauf diesem Pfad nach, dann glaubst du gleich nicht mehr, dass man auf dieser Felsplatte stehen kann», meinte Reto und ich kletterte den Pfad hinunter. Er endete am Rand des blauen Lochs in einer halb offenen Höhle, deren Decke die Felsplatte war. Sie konnte nur einen Meter breit sein, doch die Höhle darunter war tief wie eine Garage und es schien wirklich unmöglich, dass sie nicht einstürzte. Wir krochen ein bisschen in der Höhle herum, bevor wir dem Pfad zurückfolgten, bis zur ersten Verzweigung. Wir hatten vom Wasser aus, einen Schornstein aus den Palmen aufragen sehen und wollte nun das Gebäude finden. Zwei Mal liefen wir falsch, bevor wir plötzlich vor dem Gebäude in der Grösse eines Vans standen. Es hatte kein Dach, war zugewachsen und seine Grundmauern waren nur vier Meter lang und zweieinhalb Meter breit. Da wir an diversen Orten Steinhaufen gesehen hatten, fragten wir uns auf dem Rückweg, ob auf der Insel einst eine Ortschaft gewesen war. Dies fanden wir aber nicht heraus.  Stattdessen begaben wir uns auf den Heimweg, denn wir wollten am nächsten Tag ausgeruht nach Nassau segeln.

Über den Wolken von Titusville

In zwei Tagesetappen durch Delfin bevölkerte Lagunen und von Fischern überfüllten Kanäle erreichten wir Titusville. Die mittelgrosse Stadt wir von der Merritt Island und Cape Canaveral von der Küste getrennt und hat ausser dem Astronaut Memorial Park kaum nennenswerte Sehenswürdigkeiten.  Für uns hat sie jedoch Erinnerungswert, denn Reto hat hier 2012 die Sea Witch begutachtet. Als ich in die Lehre kam, begannen wir zum ersten Mal von dieser Reise zu sprechen und Reto machte sich auf die Suche nach dem richtigen Schiff. Eine Sea Witch, wie das Modell unseres Angleman Ketch genannt wird, wäre das passende Schiff für ihn, weshalb er Rumpfnummer 1 – das 1939 gebaute Original – unbedingt sehen musste. Diese stand zum Verkauf, aber Sea Witch war in einem so desolaten Zustand, dass Reto sie nicht kaufen wollte. Nun reisen wir eben auf Sea Witchs zweitjüngster Schwester Sea Chantey. Wie wir einige Tage später herausfanden, liegt das Original noch immer in desolatem Zustand in Port Canaveral.

Ausnahmsweise funkte Reto die Marina an und ich durfte Sea Chantey an die Mooring-Boje Nummer 1 fahren. Entsprechend der Erfahrung der Steuerfrau haben wir schon eleganter angelegt. Etwas zu unserem Verdruss war Boje 1, die am nächsten zum Hafenbecken gelegen war, immer noch eine Viertelstunde rudern entfernt. Reto brachte uns mit voller Kraft an Land. Nach dem Besuch im Hafenbüro und einem kurzen Fussmarsch zur «Altstadt» musste ich feststellen, dass es in Titusville nicht viel zu sehen gab. Viele Geschäfte standen leer und auf den Strassen war kaum jemand unterwegs. Als unser Spaziergang am Feuerwehr Depot vorbeiführte, sahen wir durch das Garagentor ein wunderschönes, altes Spritzenfahrzeug. Reto fragte, wie er es eben tut, sehr höflich, ob wir es uns ansehen dürfen und schon hatten wir eine Traube Feuerwehrleute um uns, die uns so spannend fanden, wie wir ihr Fahrzeug. Ein Modell von 1935, wie uns der Hauptmann erklärte, von ihrem Depot verkauft und nach der Restauration wieder zurückgekauft. Dafür erzählten wir wieder einmal von unserer Reise. Aber wir wollten nicht lange stören und verzogen uns in die Brauerei.

Die Hausarbeit musste erledigt werden, bevor wir auf Entdeckung gehen konnten, daher war es schon Nachmittag als wir auf dem Weg in die Stadt bei einer Bootswerkstatt hereinschauten. Reto wollte Karten von den Bahamas besorgen, stattdessen fanden wir aber, was wir für unmöglich hielten: Genau diesen kleinen Filter aus der Dieselpumpe, den wir nach Merritt Island bestellt hatten. Wir waren um einen seltenen Filter reicher, als wir vom Uber im «Warbird Museum» abgesetzt wurden. Auch hier war Reto schon 2012 gewesen, aber er freute sich dennoch auf die fliegenden Kriegsmaschinen. Die Kassiererin teilte uns, ohne uns zu fragen, in Alen’s Tour ein, die schon vor ein paar Minuten begonnen hatte. Wir trabten durch den Hangar auf den ehemaligen Flughafen hinaus und trafen in einer DC-3 (C-47) auf unsere Tour. Alen war ein pensionierter Geschichtslehrer, in dessen Familie es einige Militärpiloten gegeben hatte, weshalb er nun neben einigen pensionierten Luftwaffenpiloten im Warbird Museum Führungen leitet. Eine seiner ehemaligen Schülerinnen, nun selbst Geschichtslehrerin, war ebenso Museumsbesucher wie wir. Zwei von drei Zuhörern entpuppten sich als Ausländer: Marischa (sicherlich völlig falsch geschrieben) aus Ungarn und Philip aus Russland. Diese hatten ihre eigene Meinung zu Kriegsflugzeugen und Weltkriegsgeschichte, wobei alle an den Weltkriegen beteiligten Nationen bei ihren Sprüchen einmal drunter kamen. Reto und ich amüsierten uns köstlich über ihre Kommentare und wir plauderten auch nach der Führung noch eine Weile. Auch dieses Museum schloss mit ein paar Minuten Verspätung, weil wir den Museumsshop erst bei Feierabend erreichten.