Staniel Cay und die faulen, doch nicht schwimmenden Schweine lockten uns nicht. Wir fuhren achtlos daran vorbei. Dafür genossen wir das Segeln! Der Wind kam von schräg hinten, beständige Briese, Sonnenschein und im Wellenschatten der Inselkette schaukelten wir kaum. Wir fuhren die drei selbstwendenden Segel, hatten es gemütlich und machten gelegentlich sechs Knoten. Ein Traum vom Segeln über Wasser, dass blauer und strahlender war, als der Himmel darüber. Auch Gwendolyn genoss es – wie eine Prinzessin sass sie auf meinem Schoss, überblickte ihr Reich und war jedes Mal lauthals beleidigt, wenn sie in den Kindersitz musste. Fast ein bisschen zu früh, steuerten wir eine Mooring im Exuma Land and Sea Park an. Da wir aber wussten, dass Dylan von den Exumas noch praktisch nichts gesehen hatten, mussten wir am Aquarium halt machen! Beim Schnorcheln am Flugzeugwrack wurde unsere Deckhand zwar fast von einem übermotorisierten Superjachtbeiboot überfahren, aber das Aquarium gefiel ihm ebenso gut, wie uns damals. Ich musste auf Gwendolyn aufpassen und konnte nicht mit, daher war ich doch ein bisschen traurig, dass Dylan die Unterwasserkamera nicht mitgenommen hatte.
Nach einem weiteren Tag mit traumhaftem Segeln schnappten wir uns eine Boje in Wadericks Well, wo sich das Park Hauptquartier befindet. Zu unserer grossen Freude fanden wir diesmal die Ruinen, die wir das letzte Mal nicht gefunden hatten. Dylan schwamm an Land und war deshalb voraus, als wir mit dem Dinghy kamen. Wir brachten ihm seine Schuhe, er zeigte uns den Weg. Unterwegs entdeckten wir auch eine Kolonie der Bisamratten-Art, die auf den Bahamas heimisch, aber schon fast ausgestorben ist. Putzige Tierchen von der Grösse eines Kaninchens mit braunem Fell und einem kurzen, nahezu haarlosen Schwanz. Beim Suchen nach den «Gophers», wie Dylan sie nannte, stolperten wir förmlich über die Davis Ruinen. Angeblich gehörten sie zu einer Plantage, aber dies ist bei dem steinigen, trockenen Gelände schwer zu glauben. Wir fanden die Grundrisse von drei Gebäuden aus Stein und eine Grenzmauer, welche quer über die Insel verläuft. Dennoch nicht sonderlich beindruckt traten wir den Rückweg an und diskutierten darüber, wie die Insel wohl gewesen war, als der erste Mensch dort an Land ging. Sicher viel grüner.
Unterwegs nach Shroud Cay passierten wir ein auffälliges Segelboot mit zwei Masten und äusserst grosser Kabine. Es schien die Segel nicht wahnsinnig häufig zu nutzen, aber es gefiel uns. In Shroud Cay unternahmen wir einen Dinghyausflug, um Dylan die Wasserstrassen durch die Mangroven zu zeigen. Wir benutzen nicht den gleichen Eingang wie vor einem Jahr und verfuhren uns. Dazu musste Reto auch noch gegen den Strom kämpfen, er war bald tiefend vor Schweiss. Wir landeten bei einer weiten flachen Bucht und liefen den Rest bis zum Ufer zu Fuss, weil Alianza unten aufstand. Wir liefen durch Zypressen über eine Hügelkuppe, wo wir mit einem weiten Strand belohnt wurden, den wir noch nicht kannten. Zu unserem eigentlichen Ziel ruderte uns Dylan – für ihn eine neue Erfahrung. Das Wasser schoss durch die Rapids, er musste also mächtig an den Riemen reissen. Trotz seines Bades schien er nicht überwältigt von dem Ort, aber Gwendolyn und ich tauchten genüsslich die Füsse ins reissende Wasser. Nun bei sinkendem Wasser wieder gegen den Strom brachte uns Reto wieder durch den Mangrovenwald nach Hause.
durchs Wasser waten in Shroud Cay
Weil es gut gelegen war, um nach Nassau abzuspringen ankerten wir erneut in der Hufeisenförmigen Bucht von Allens Cay. Ich schnorchelte ein wenig zwischen den Baby-Quallen herum und Dylan fotografierte ein paar Iguanas. Es schien aber an der Zeit in Nassau anzukommen, weshalb wir bei wenig Wind und zum Schluss mit dem Motor über die Yellow Bank tuckerten. Nach wunderbaren Segeltagen kamen also unter Motor wieder in der Palm Cay Marina an. Auch hier erkannte uns das Personal sofort wieder – sie hatten ja letztes Jahr drei Monate Zeit uns kennen zu lernen.
Wir wären zwar früh genug angekommen, um die Höhle noch am gleichen Tag zu besuchen, aber die Hitze hatte uns unterwegs erdrückt, weshalb wir zu müde waren. So machte ich einen Tag später Sandwiche fürs Mittagessen in der Höhle. Auch Schnorchel und Maske sowie Badetücher packte ich ein. Mit dem Dinghy ruderten wir zum sogenannten Oven Rock, der mit seiner runden Form und dem Loch in der Meerseite an einen Pizza-Ofen erinnert. Wegen der Steine an der Wasserlinie trugen wir Alianza auf den Strand hinauf. Dann begann die Suche nach dem «Weg» zur Höhle. Am Strand war es brütend heiss, weil der Sand die Hitze reflektierte, aber schliesslich fanden wir den Weg in die Buschlandschaft hinein. Wir wanderten einen knappen Kilometer, ehe wir eine Abzweigung auf den Hügel fanden, doch dann standen wir plötzlich vor einem Loch im Blattwerk eines Busches. Der Busch entpuppte sich als Baum, der im Höhleneingang wuchs. Dem Stamm entlang, dann entlang der Wurzeln kletterten wir durch einen zehn Meter breiten Spalt in die Tiefe. Es war erfrischend kühl unter Tag, eine wunderbare Abwechslung an einem Ort, an dem es nachts über 25°C bleibt. Unter dem Hügel hatte sich eine grosse Grotte gebildet, in deren Mitte ein Felssturz riesige Trümmer aufgeschüttet hatte. Davor, im Rest des Tageslichts, hatte jemand eine Feuerstelle angelegt. Unter einem Tropfstein hatte jemand einen Eimer deponiert, in den von der Höhlendecke Süsswasser hinabtropfte. Anhand der Kalkkruste an seinem Rand steht der Eimer schon lange dort. Unsere Augen brauchten eine Weile um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, aber schliesslich sahen wir fast überall auch ohne Lampe. Der Grossteil der 500 m tiefen Höhle ist unter Wasser. In der nächsten Ortschaft hätte man Tauchausflüge in die Höhle buchen können, aber Höhlentauchen gehört zu den Dingen, die mir zu wenig einschätzbar sind. Dafür tauchte ausnahmsweise ich zuerst die Füsse ins Höhlenwasser. Es brauchte ein wenig Selbstüberwindung um ganz ins erfrischend kalte Süsswasser zu klettern. Der unterirdische See wird von einer Art Garnelen bewohnt – sehr freundliche, neugierige Garnelen, die auf einem Schwimmer herumkrabbeln und ihn kitzeln. Persönlich fand ich es ein bisschen eklig und ich quietschte einige Male, weil mich wieder so ein Tierchen an den Füssen kitzelte. Aber ich genoss das kühle Nass zu sehr, als dass die ungefährlichen kleinen Krebse mich verscheuchen konnten. Reto schien sich an den Tierchen weniger zu stören.
der unterirdische Badeort
Nach dem Bad packten wir das Mittagessen aus und stellten unsere Getränke ins kalte Wasser. Kaum hatten wir es uns gemütlich gemacht, kletterte die erste Touristengruppe durch den Spalt in die Höhle. Ein bisschen Höhle gucken, ein paar Fotos und schon verschwand die siebenköpfige Gesellschaft wieder. Wir assen und tranken gemütlich, aber sobald wir uns überlegten, ob wir es uns auf den Steinen zum Mittagsschläfchen gemütlich machen konnten, kletterte eine Familie mit zwei Teenie-Mädchen in die Grotte. Auch diese hatte den Aufstieg für ein paar Fotos gemacht und die Mädchen schienen davon sogar genervt – sie mussten ja auch dauernd für ihren Vater posieren. Sobald sie wieder verschwunden waren, legten wir uns tatsächlich eine halbe Stunde zum Dösen hin. Auf dem Heimweg stolperten wir über eine weitere Landkrabbe und Reto kletterte auf den Oven Rock.
diese Landkrabbe hat Angst vor Reto
Manchmal habe ich das Kochen von Teigwaren und Dosengemüse einfach satt, daher erbarmte sich Reto meiner. Wir langen «nur» eine Meile nördlich von Farmers Cay am Anker, das eine kleine Ortschaft beherbergt. Laut unseren Navionic-Karten gab es dort ein Strandrestaurant am Ende der Flughafenpiste oder den Jachtclub. Reto brachte uns trotz des stärker werdenden Gegenstroms zur Insel, zunächst entlang des Rollway zum Strandclub Ty’s. Wir brauchten nicht lange um festzustellen, dass geschlossen war und ich hatte schon ein schlechtes Gewissen gegenüber meinem Skipper, der den ganzen Weg gerudert war. Aber Reto gab so leicht nicht auf und brachte uns um das Nordkap der Insel gegen die einlaufende Flut zum Jachtclub. Die Tür stand offen! Aber der Besitzer schien dennoch nicht mit Kundschaft gerechnet zu haben, denn er fragte, ob es etwas Einfaches auch täte? Ich musste dringend meinen Reto füttern, also bestellte ich zwei Burger, Cola und Kalik. Bis Reto das Beiboot vertäut hatte und völlig verschwitzt zur Tür hereinkam, hatten wir Getränke bekommen. Wir machten es uns auf der Terrasse gemütlich. Ein ankommendes Transportschiff spielte für uns die Abendunterhaltung und auch ein paar Meeresschildkröten gab es von der Terrasse aus zu beobachten. Gerade Reto, der uns auch zurückrudern musste, genoss den Abend sehr.
Der nächste Trip brachte uns nur wenige Meilen nach Südosten, wo wir in der Bucht einer Insel ankerten, die aussieht wie ein eckiges U-Profil. Wir brauchten zwei Versuche bis der Anker sass und fühlten uns damit nicht ganz sicher, aber wir wollten nur für ein paar Stunden zu den grossen Felsen rudern und gegebenenfalls irgendwo anders die Nacht verbringen. Schnorchel-Equipment und Wasser wanderten ins Dinghy, bevor Reto uns zu den zwei hohen, felsigen Inseln brachte. Es war windig und wellig, unsere Alinaza wurde geschüttelt und das Wasser schlug tosend gegen die Felsen. Rock Dundas werden sie genannt und sind bekannt für ihre Brandungshöhlen. Das Wasser frisst über Jahrhunderte grosse Höhlen aus dem Kalkgestein, die jetzt von Schwimmern erreicht werden können. Bei den grössten, sind zumeist Deckenteile eingestürzt, weshalb Lichtkegel in sie hinabfallen. Reto stürzte sich zuerst in die Wellen und schnorchelte das Riff vor den Felsen. Ich beobachtete ihn aus dem schaukelnden Dinghy und mir wurde ganz mulmig, als er schliesslich in einer Felsspalte verschwand, die da wir Flut hatten keinen Meter breit und keine 50 cm hoch war. Aber Reto ist einer der besten Schwimmer, die mir bekannt sind und natürlich tauchte er sicher wieder auf. Er schnorchelte den Felsen entlang, blieb an einem Ort plötzlich halten, holte Luft und weg war er! Er tauchte in eine Höhle, deren Eingang bei Flut komplett unter Wasser ist und für mich unsichtbar war. Und ich? Ich wartete, und wartete in meinem schaukelnden Dinghy. Die drei, vier Minuten, während Reto in der Höhle war, kamen mir sehr, sehr lange vor. Aber schliesslich tauchte er putzmunter wieder auf, kam zum Dinghy und erzählte mir von der tollen Höhle. «Und wie die Wellen da drinnen tosen, Stefy. Es ist schon ein komisches Gefühl, aber die Höhle ist riesig!» Nun durfte auch ich auf Entdeckung gehen – Fische, Korallen, eine riesige Elkhorn Coral, sicher zwei Meter im Durchmesser und nur einen Meter unter Wasser! Aber ich trieb sicher fünf Minuten vor dem Eingang der ersten Höhle, um mich schliesslich abzuwenden, weil ich mich nicht traute hinein zu schwimmen. Ich hatte Angst mir den Kopf zu stossen, obwohl der Eingang genug Platz bot und in die andere Höhle hinein zu tauchen war mir weiss Gott zu unheimlich. Reto fand meine Vorsicht herzig. Er versprach, dass wir bei Ebbe wiederkommen würden, kletterte aber wieder ins Wasser. Mir voraus, schwamm er in die Höhle mit dem grösseren Eingang, damit ich ihm nachschwimmen konnte. Mensch, war mir das peinlich – weltbesegelnde Schriftstellerin von Abenteuerromanen traut sich nicht alleine in eine ungefährliche Höhle zu schwimmen! Es wurde noch ärgerlicher, als ich feststellte, was ich fast verpasst hätte: Die Höhle war so gross, wie das Kirchenschiff unserer Loreto-Kapelle auf dem Achenberg und ein Lichtkegel fiel auf die Mitte herab. Wie in meinem Roman in der Schatzhöhle hatte diese einen Absatz und war hinten höher, jedoch war die Höhle knietief geflutet. Ich kletterte mit einer Welle auf den Absatz und spazierte staunend in der Höhle umher, Reto diesmal mir hinterher. Wir betrachteten die Tropfsteine und ich posierte lustig im Lichtkegel, wie im Licht eines Scheinwerfers – und wieder gibt es keine Fotos, weil wir keine wasserdichte Kamera haben! Unsere Forschungen ergaben anhand der toten Korallen auf dem Boden und an den Wänden, dass die Höhle eins mehr mit Wasser gefüllt gewesen war. Sogar ein frecher kleiner, lila oranger Fisch hatte sich in die Höhle verirrt. Die zweite Höhle sparten wir uns für die Ebbe auf.
Illustration der Schatzhöhle aus „Höllenhunde“
Als wir zurückruderten ankerte neben Sea Chantey bereit ein Motorkatamaran. Die Brixter war auf dem Rückweg nach Florida und hatte sich den gleichen Ankerplatz ausgesucht. Ein kurzes Gespräch brachte heraus, dass Karen und Steve uns in Big Major Spot bei ihren Bootsfreunden angemeldet hatten, was uns eine Freikarte in die Cruiser Comunity werden könnte. Nicht, dass es die bräuchte, aber ist es nicht schön, wenn jemand nach einem Ausschau hält? Da sie bei Ebbe die Höhlen schnorcheln wollten, nahmen sie uns einige Stunden später in ihrem motorisierten Tender mit. Das Wasser und der Wind waren ruhiger geworden und es war keine Sache mehr durch die riesigen Höhleneingänge zu schwimmen. Karen schwamm dennoch in keine hinein. Zum Glück hatte Reto mich bei Flut in die Höhlen geführt, bei Ebbe waren sie nicht annähernd so spektakulär! Die Brixters schenkten uns ausserdem eine zweite Taucherbrille, damit wir nicht immer abwechselnd schnorcheln müssen.
Unser Ziel wird das Aquarium genannt und befindet sich zwischen den Privatinseln von Johnny Depp und Eddie Murphy, gehört aber zum Exuma Land and Sea Park. Den halben Tag lang tuckerten wir zwischen den Sandbänken und Untiefen zwischen den Inseln herum, bevor wir unseren Ankerplatz beim Aquarium bezogen. Wir amüsierten uns über das Schild auf Johnny Depp’s Insel, da stand:
This is not Disneyland – You are not willcome!
Logischer weise gingen wir nicht zu Besuch. Wir hängten uns an eine Mooring des Parks und packten unsere Tauchsachen zusammen. Reto fuhr uns zu dem unscheinbaren, dreissig Meter langen Stein. Der Blick ins Wasser allein war schon atemberaubend. Direkt unter unserem Dinghy lang ein Korallenwald. Ein Schwarm Fische, alle silber-gelb mit schwarzen Tigerstreifen, kreiste sofort Alianza ein. Reto, der meistens paddeln muss, darf wie normalerweise zuerst schnorcheln und kam mit den nötigen Infos zurück, wo die Strömung besonders stark ist. Nicht, dass ich ihm noch davontreibe… Als ich ins Wasser stieg, verfolgten mit die aufdringlichen kleinen Tigerfische, als würden sie um Futter betteln. Als ich aber vom Boot wegschwamm, blieben sie, um bei Reto zu betteln. Unter mir wuchs das Riff farbenfroh, gross und formprächtig, als wäre es für ein Aquarium designt worden. Röhren, Fächer und Kugeln in Farben zwischen lila und orange leuchteten am Grund. Dazwischen schwamm die grösste Vielfalt an Fischen, die ich je gesehen hatte. Blau, gelb, violett, bunt, getupft, gestreift und sogar mit Mosaikmuster wie ein Plattenboden, schwamm und trieb es um die Korallen und Wasserpflanzen. Wie Reto machte ich eine runde um den ganzen Felsen und erhaschte sogar einen Barrakuda beim Schatten suchen. Dank der Strömung kam ich durchaus erschöpft wieder im Dinghy an und liess mich von den getigerten Fischen umschwimmen, bevor ich ins Beiboot kletterte.
Ich entschuldige mich herzlich, dass ich euch keine Fotos zeigen kann – aber wir haben keine wasserfeste Kamera! Ihr werdet warten müssen, bis ich Zeit hatte das Aquarium zu Malen oder ihr googlet «Aquarium, Exumas».
Der Wind kam nicht nur aus der Gegenrichtung, er spielte auch gelegentlich Flaute. Aber für die einstündige Fahrt nach Wadericks Well hätten wir die Segel höchstens bei bestem Wind ausgepackt. Reto steuerte und ich sass – dick beschmiert mit Sonnencreme und geschützt mit meinem Jacaroo (australischer Cowboy-Hut) – auf dem Bug, um Untiefen und Korallenköpfe zu erspähen. In sicherem Fahrwasser nahm ich Kontakt mit dem Hauptquartier des «Exuma Land and Sea National Park» auf, welches auf der Insel seinen Sitz hat. Nach einigen Komplikationen (erst zwischen Park Ward und mir, dann zwischen mir und Reto) begriffen wir, dass uns Boje 12 zugesprochen wurde. In einem engen, aber tiefen Kanal, der zu beiden Seiten eine nur knietiefe Sandbank hat, zählten wir die unbeschrifteten Bojen ab. Ich fing Nummer 12 gleich beim ersten Mal mit den Bootshaken, zog das Seil durch den Ring und war nachdem ich es belegt hatte, damit sehr unglücklich. An der Mooring leben hunderte von winzigen Krebsen, aussehend wie Shrimp oder Hummer, die jetzt auf meinen Händen herumkrabbelten, was juckte und mich ekelte. Reto zog mir einen Eimer Wasser herauf, nachdem Sea Chantey korrekt an der Mooring hing, und ich wusch dankbar die Hände und kippte die Krebse über Bord. Obwohl das Park Office inzwischen geschlossen war, ruderten wir zum Strand um uns umzusehen und passierten die Brixter an Boje 14. Wir paddelten aber an ihnen vorbei, denn wir wollten noch das Schiffswrack bei Boje 9 besuchen. Weil es so warm war und ich schon am Strand ins Wasser gesprungen war, zog Reto mich mit dem Dinghy zum Wrack. Während ich mit der Strömung zu Sea Chantey zurückgetrieben wurde, ruderte Reto noch eine Weile neben dem Segelboot an Boje 10 her. Dort hatte sich nämlich jemand über die Reling gelehnt, um zu plaudern. Ich konnte nur vorbeitreiben. Dafür war das Abendessen schon fertig, als Reto wieder andockte.
Dieser Wal ist gleich lange tot, wie Stefy lebt – angespühlt 1995
Reto hatte einen Auftrag gefasst: Wir sollten ein Schild deponieren. Warum? An der Ostküste der Insel ist angeblich vor Jahrhunderten ein Schiff zerschellt. Niemand hatte das Unglück überlebt, weshalb in Vollmondnächten Geister auf dem Boo Boo Hill heulen. Um den Verstorbenen zu Gedenken deponieren alle vorbeikommenden Schiffe auf dem Hügelkamm ein Stück Holz, auf dem der Name des Schiffes geschrieben steht. Da unser Nachbarschiff von Boje 10 aber am nächsten Tag auslief, wollten sie uns ihre bemalte Planke übergeben, damit wir sie auf den Boo Boo Hill bringen konnten. So bekam Reto besuch von einem hübschen, 14-jährigen Mädchen, das die Planke ablieferte und ich bemalte den Abschnitt eines selbstgemachten Tischbeins mit Sea Chanteys Namen. Nach einem Stopp beim Office, marschierten wir durch eine Affenhitze über die Insel. Erst über Felsen zwischen Mangroven, dann über eine sandige Ebene, den Banshee Creek, die bei Flut unter Wasser steht und schliesslich den Hügel hoch. Bei bestimmten Pflanzensorten waren Schilder aufgestellt, Reto las jedes. Wir vertrockneten fast, aber wir deponierten unsere Planken auf einem enormen Holzhaufen voller Schiffsnamen. Einige davon waren zu Wegweisern vernagelt und mit nautischen Sammelsurien und Strandgut jeder Art behangen. Hier glaubte ich mich erstmals in einem meiner liebsten Computerspiele: Auch in «Monkey Island» stehen merkwürdige Dinge an Orten mit lustigen Namen und alles ist mit Schildern beschriftet. Durch die brennende Sonne kämpften wir uns zurück zum Hauptquartier und picknickten unter dem Schatten einer Strandhütte.
Nachmittags schnorcheln zu gehen, war naheliegend. Reto ruderte uns zum Rangers Garden, ein Riff nur hundert Meter südlich des Parkhauptquartiers. An einer kleinen Mooring extra für Beiboote vertäuten wir uns und schnorchelten abwechselnd, da wir nur eine Taucherbrille hatten. Reto durfte zuerst. Als ich die Brille und den Schnorchel übernahm, staunte ich. Was vom Boot aus nur schwarze und gelbe Flecken auf dem Grund sind, ist mit Taucherbrille ein Wald aus Wasserpflanzen und Korallenköpfen. Violette bis knallig gelbe Wasserpflanzen in jeder Form zwischen Fächern und Röhren wachsen zwischen trichter- oder ballförmigen Korallen. Dazwischen lassen sich Fische in jeder Farbe und Grösse nicht von Tauchern beim Fressen stören. Mir gefielen die eckigen, blau-gelben Skalare am besten, während es Reto eine winzige Fischsorte in leuchtendem Blau angetan hatte. Da wir uns gegenseitig die besten Plätze zeigten, sahen wir beide die Korallenansammlung von der Grösse eines Autos und den Schwarm grosser Fische, die uns von der Form her an Thunfisch erinnerten. Als wir das Riff verliessen, hatten wir Gegenstrom, weshalb ich das Dinghy über die Sandbank spazieren führte. Als wir die Brixter passierten, bekamen wir ein Bier offeriert, was wir natürlich dankend annahmen. Karen und Steve hatten natürlich ebenso viel zu berichten wie wir und wir genossen es zu plaudern, bevor wir zum Abendessen wieder das Weite suchten.
Für den Folgetag hatten wir uns die längste Wanderroute der Insel ausgesucht und brachen zeitig auf, um nicht den ganzen Marsch in der prallen Sonne unternehmen zu müssen. Die heimische Tierwelt begrüsste uns bald. Eine Ratte von der Grösse eines Kaninchens huschte davon, ein Bahama Humit, was für mich wie eine Bisamratte aussah. Auch die Landkrabbe von der gleichen Grösse suchte das Weite. Als ich von weitem die Schilder auf Boo Boo Hill sah und auf der anderen Seite die Steintürme am nahen Strand, kam ich mir wieder vor wie auf «Monkey Island». Bei diesem alten Point-and-Klick geht es darum als Pirat Guybrush Threepwood einen Geisterpiraten zu besiegen. Dazu muss der Spieler diverse Rätsel lösen. Dieses Spiel kann nur von jemandem gewonnen werden, der nichts als Unsinn im Kopf hat, denn die Rätsel sind zumeist scheinbar unsinnig. Ein Beispiel, das Gummihuhn mit der Rolle zwischen den Füssen bekommt erst Sinn, wenn man die Rolle an ein aufgespanntes Seil hängt, sich am Huhn festhält und wie eine Seilbahn über die Schlucht saust. Nicht nur, dass auf Wadericks Well viele zufällige Dinge herumliegen, auch wie man bestimmte Orte manchmal von weitem sieht, erinnerte mit irrsinnig an mein Lieblingsgame. Schon als wir die kleine Brücke über den Flutkanal des Banshee Creek überquerten, brannte die Sonne unerbittlich auf uns nieder. Dennoch kletterten wir bergan, auf der anderen Seite den Hügel hinunter durch Buschland an den Strand mit den Steintürmen. Von dort wanderten wir durch einen Spinnenbevölkerten Palmenwald. Dauernd liefen wir durch ein Netz, obwohl ich wann immer möglich das Netz samt Spinne umhängte. Ich nannte die kleinen Tiere «Teufelsspinnen», weil auf ihrem schwarzen Rücken kleine, knallrote Spitzen wuchsen, wie die Hörner an Haarreifen für die Fasnacht. Am nächsten Strand fanden wir den Weg nicht mehr, der mit kleinen Steintürmen markiert ist. Wir mussten ein Stück zurück, bevor wir den Weg über das Sumpfloch fanden. Am Strand dahinter erdrückte uns die Sonne endgültig – wir tranken unsere Gallone Wasser leer und warfen die Kleider von uns, um uns im leider warmen Wasser abzukühlen. Wir hatten gerade die Hälfte des geplanten Trips hinter uns, aber wir entschieden uns kehrt zu machen und vor der Sonne Schutz zu suchen. Der Gedanke an den langen Heimweg war nicht prickelnd, gerade weil wir vom Strand aus die Steintürmchen auf dem letzten Strand sehen konnten. «Weisst du, was das Krasseste ist, Reto? Ich wette wir könnten von hier aus durchs Wasser zurücklaufen, wenn wir die Rucksäcke auf den Schultern tragen.» Die Bucht zwischen unserem Strand und dem Parkhauptquartier war bei Ebbe nur Hüfttief. Reto, mein liebstes Wassersäugetier, konnte meiner Spontanidee nicht widerstehen. Wir quetschten unsere Kleider in die kleinen Rucksäcke und spazierten über den weichen, weissen Sandgrund der Bucht an den schroffen, scharfen Felsen vorbei zum Strand mit den Steintürmen. Der halbe Rückweg geschafft. Auch vom Türmchen-Strand war es möglich durchs Wasser weiterzulaufen und wir kletterten nahe der Brücke wieder an Land. Da wir kein Handtuch hatten liessen wir uns hier trocknen, bevor wir Kleider und Schuhe wieder anzogen. Nachmittags gegen Drei Uhr kamen wir wieder auf Sea Chantey an, um zu Mittag zu essen. Den Rest des Tages hielten wir Siesta.
Landkrabbe
Am nächsten Tag machten wir einen Dinghy-Ausflug mit dem Ziel am Emerald Rock zu schnorcheln. Doch Reto ruderte uns noch ein wenig weiter, bis wir schliesslich den sogenannten Wall zu sehen bekamen. Hier hatte schon vor vielen Jahren jemand die Insel mit einer Steinmauer in eine nördliche und eine südliche Hälfte geteilt, die von der West- bis zur Ostseite reichte. Wir gingen zwar an Land, weil wir aber unsere Karte vergessen hatten, fanden wir die Ruinen nicht. Dabei standen wir mitten auf dem Grundstück einer ehemaligen Plantage, die im 18. Jahrhundert bewirtschaftet wurde. So brachte uns Reto «zurück» zum Emerald Rock, wo wir nacheinander das Riff erkundeten. Retos Highlight war eine Wasserschildkröte, ich begnügte mich damit mich über ein steinernes Ding zu wundern, das wie ein Blumentopf aussah und von kleinen Fischen bewohnt wurde. Wir machten uns einen ruhigen Abend, bevor wir am nächsten Tag weiterfuhren.