Belebte Grotte

Wir wären zwar früh genug angekommen, um die Höhle noch am gleichen Tag zu besuchen, aber die Hitze hatte uns unterwegs erdrückt, weshalb wir zu müde waren. So machte ich einen Tag später Sandwiche fürs Mittagessen in der Höhle. Auch Schnorchel und Maske sowie Badetücher packte ich ein. Mit dem Dinghy ruderten wir zum sogenannten Oven Rock, der mit seiner runden Form und dem Loch in der Meerseite an einen Pizza-Ofen erinnert. Wegen der Steine an der Wasserlinie trugen wir Alianza auf den Strand hinauf. Dann begann die Suche nach dem «Weg» zur Höhle. Am Strand war es brütend heiss, weil der Sand die Hitze reflektierte, aber schliesslich fanden wir den Weg in die Buschlandschaft hinein. Wir wanderten einen knappen Kilometer, ehe wir eine Abzweigung auf den Hügel fanden, doch dann standen wir plötzlich vor einem Loch im Blattwerk eines Busches. Der Busch entpuppte sich als Baum, der im Höhleneingang wuchs. Dem Stamm entlang, dann entlang der Wurzeln kletterten wir durch einen zehn Meter breiten Spalt in die Tiefe. Es war erfrischend kühl unter Tag, eine wunderbare Abwechslung an einem Ort, an dem es nachts über 25°C bleibt. Unter dem Hügel hatte sich eine grosse Grotte gebildet, in deren Mitte ein Felssturz riesige Trümmer aufgeschüttet hatte. Davor, im Rest des Tageslichts, hatte jemand eine Feuerstelle angelegt. Unter einem Tropfstein hatte jemand einen Eimer deponiert, in den von der Höhlendecke Süsswasser hinabtropfte. Anhand der Kalkkruste an seinem Rand steht der Eimer schon lange dort. Unsere Augen brauchten eine Weile um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, aber schliesslich sahen wir fast überall auch ohne Lampe. Der Grossteil der 500 m tiefen Höhle ist unter Wasser. In der nächsten Ortschaft hätte man Tauchausflüge in die Höhle buchen können, aber Höhlentauchen gehört zu den Dingen, die mir zu wenig einschätzbar sind. Dafür tauchte ausnahmsweise ich zuerst die Füsse ins Höhlenwasser. Es brauchte ein wenig Selbstüberwindung um ganz ins erfrischend kalte Süsswasser zu klettern. Der unterirdische See wird von einer Art Garnelen bewohnt – sehr freundliche, neugierige Garnelen, die auf einem Schwimmer herumkrabbeln und ihn kitzeln. Persönlich fand ich es ein bisschen eklig und ich quietschte einige Male, weil mich wieder so ein Tierchen an den Füssen kitzelte. Aber ich genoss das kühle Nass zu sehr, als dass die ungefährlichen kleinen Krebse mich verscheuchen konnten. Reto schien sich an den Tierchen weniger zu stören.

der unterirdische Badeort

Nach dem Bad packten wir das Mittagessen aus und stellten unsere Getränke ins kalte Wasser. Kaum hatten wir es uns gemütlich gemacht, kletterte die erste Touristengruppe durch den Spalt in die Höhle. Ein bisschen Höhle gucken, ein paar Fotos und schon verschwand die siebenköpfige Gesellschaft wieder. Wir assen und tranken gemütlich, aber sobald wir uns überlegten, ob wir es uns auf den Steinen zum Mittagsschläfchen gemütlich machen konnten, kletterte eine Familie mit zwei Teenie-Mädchen in die Grotte. Auch diese hatte den Aufstieg für ein paar Fotos gemacht und die Mädchen schienen davon sogar genervt – sie mussten ja auch dauernd für ihren Vater posieren. Sobald sie wieder verschwunden waren, legten wir uns tatsächlich eine halbe Stunde zum Dösen hin. Auf dem Heimweg stolperten wir über eine weitere Landkrabbe und Reto kletterte auf den Oven Rock.

diese Landkrabbe hat Angst vor Reto

Manchmal habe ich das Kochen von Teigwaren und Dosengemüse einfach satt, daher erbarmte sich Reto meiner. Wir langen «nur» eine Meile nördlich von Farmers Cay am Anker, das eine kleine Ortschaft beherbergt. Laut unseren Navionic-Karten gab es dort ein Strandrestaurant am Ende der Flughafenpiste oder den Jachtclub. Reto brachte uns trotz des stärker werdenden Gegenstroms zur Insel, zunächst entlang des Rollway zum Strandclub Ty’s. Wir brauchten nicht lange um festzustellen, dass geschlossen war und ich hatte schon ein schlechtes Gewissen gegenüber meinem Skipper, der den ganzen Weg gerudert war. Aber Reto gab so leicht nicht auf und brachte uns um das Nordkap der Insel gegen die einlaufende Flut zum Jachtclub. Die Tür stand offen! Aber der Besitzer schien dennoch nicht mit Kundschaft gerechnet zu haben, denn er fragte, ob es etwas Einfaches auch täte? Ich musste dringend meinen Reto füttern, also bestellte ich zwei Burger, Cola und Kalik. Bis Reto das Beiboot vertäut hatte und völlig verschwitzt zur Tür hereinkam, hatten wir Getränke bekommen. Wir machten es uns auf der Terrasse gemütlich. Ein ankommendes Transportschiff spielte für uns die Abendunterhaltung und auch ein paar Meeresschildkröten gab es von der Terrasse aus zu beobachten. Gerade Reto, der uns auch zurückrudern musste, genoss den Abend sehr.

Wo Schweine schwimmen

Wir segelten langsam und gemächlich nach Big Mayor Spot und genossen endlich die Benutzung des Fliegers drauf zu haben. Big Mayor Spot, die Insel gleich nördlich von der Ortschaft Staniel Cay, ist nach Georgetown der meistbesuchte Ankerplatz der Exumas. Vor dem Pig Beach, wo die schwimmenden Schweine wohnen, ankern in der Hochsaison bis zu achtzig Boote aller Grössen. Dank Corona ankerten nur zehn, als wir die Segel einholten und uns ein Plätzchen suchten. Wir warfen Anker zwischen dem Pig Beach, an den alle Touristen wollen, und dem Cruisers Beach, der abends von den «durchschnittlichen» Bootsbesitzern genutzt wird, die nicht täglich Champanger auf ihren Megajachten trinken. Zu dem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, dass uns dieser Cruisers Beach für fast eine Woche magisch festhalten würde.

Wir standen am Folgetag früh auf, denn wir wollten die Thunderball Cave bei Ebbentiefstand morgens um Acht besichtigen. Ja, es handelt sich um die Höhle, die im James-Bond-Film Thunderball auftaucht und deshalb ein Mega-Touristenmagnet ist. Nachdem Reto uns die zwei Meilen rund um das Südende von Big Mayor Spot gerudert hatte, waren wir das zweite Boot vor dem Höhleneingang. Acht Touristen schnorchelten schon durch den Tunnel mit der grossen runden Höhle in der Mitte. Wieder begrüssten uns die frechen, getigerten Fische, als wir ins Wasser sprangen. Wir schwammen durch den Tunnel und erkundeten jede Ecke der Höhle, ohne dass sich zehn Taucher untereinander im Weg waren. Die dreissig Taucher in der Hochsaison – also jetzt, nur ohne Corona – hätte ich aber nicht erleben wollen. Reto, der selbst mit Schnorchel schon ganz ordentlich tauchen kann, verliess die Höhle durch einen versteckten Ausgang, während ich den «Touristenausgang» verwendete. Das Riff rund um die Höhle wurde nur von uns beschnorchelt, während Tourboot 1 das weite suchte und das nächste mit zwei Familien Anker warf. Als ich den Feuerfisch entdeckte, hielt auch ich es für an der Zeit zum Dinghy zurückzukehren. Die Feuerfische wären eigentlich im Pazifik rund um Australien heimisch, wurden aber von Aquariumbesitzern in die Bahamas verschleppt, wo sie nun einige heimische Fischsorten zu verdrängen beginnen. Um dem entgegenzuwirken wird er hier als Speisefisch beworben, damit die Fischer ihn fangen und verkaufen, wegen der Giftstacheln lassen die Einheimischen aber die Finger davon. Daher essen wir weiterhin Snapper im Restaurant statt Feuerfisch.

Auf dem Rückweg hielten wir beim Pig Beach an. Auch hier lagen schon Boote mit Touristen im seichten Wasser und die Touristen standen mit Futter am Strand. Eigentlich waren diese Schweine berühmt dafür zu den Booten zu schwimmen um gefüttert zu werden, aber hier bewies sich, dass Schweine schlau sind: Die Schweine haben längst gemerkt, dass die Touristen sie auch am Strand füttern, wenn sie nur lange genug warten. Warum also schwimmen, wenn man bequem im kühlen Wasser sitzen kann? Ich versuchte für geraume Zeit ein grosses, geflecktes Schwein zum Schwimmen zu bewegen, musste aber aufgeben, weil ich keine Kartoffeln mehr hatte. Stattdessen fütterte ich die niedlichen Ferkel mit Erdbeerabschnitten und Mangoschale, die mir der Schweinepfleger gab. Fünf kleine Ferkel, vier rosa mit blonden Borsten, eines vorne und hinten braun mit rosa Bauch und Rücken, liessen sich trotz Futter nicht vernünftig fotografieren – immer wenn das Handy in ihre Nähe kam, stürzten sie sich darauf, um es zu fressen! Interessanter als die Schweine, war es die Touristen zu beobachten: Viele hatten offenbar keine Erfahrungen mit Tieren und wurden regelrecht über den Strand gejagt. Keiner hatte Erfolg damit, ein Schwein zum schwimmen zu bewegen! Wir verliessen bald den Kinderzoo, weil es uns zu doof wurde mit Schweinen und Touristen.

Abends machten wir am Cruisers Beach neue Bekanntschaften.

Eine Höhle für Höllenhunde

Der nächste Trip brachte uns nur wenige Meilen nach Südosten, wo wir in der Bucht einer Insel ankerten, die aussieht wie ein eckiges U-Profil. Wir brauchten zwei Versuche bis der Anker sass und fühlten uns damit nicht ganz sicher, aber wir wollten nur für ein paar Stunden zu den grossen Felsen rudern und gegebenenfalls irgendwo anders die Nacht verbringen. Schnorchel-Equipment und Wasser wanderten ins Dinghy, bevor Reto uns zu den zwei hohen, felsigen Inseln brachte. Es war windig und wellig, unsere Alinaza wurde geschüttelt und das Wasser schlug tosend gegen die Felsen. Rock Dundas werden sie genannt und sind bekannt für ihre Brandungshöhlen. Das Wasser frisst über Jahrhunderte grosse Höhlen aus dem Kalkgestein, die jetzt von Schwimmern erreicht werden können. Bei den grössten, sind zumeist Deckenteile eingestürzt, weshalb Lichtkegel in sie hinabfallen. Reto stürzte sich zuerst in die Wellen und schnorchelte das Riff vor den Felsen. Ich beobachtete ihn aus dem schaukelnden Dinghy und mir wurde ganz mulmig, als er schliesslich in einer Felsspalte verschwand, die da wir Flut hatten keinen Meter breit und keine 50 cm hoch war. Aber Reto ist einer der besten Schwimmer, die mir bekannt sind und natürlich tauchte er sicher wieder auf. Er schnorchelte den Felsen entlang, blieb an einem Ort plötzlich halten, holte Luft und weg war er! Er tauchte in eine Höhle, deren Eingang bei Flut komplett unter Wasser ist und für mich unsichtbar war. Und ich? Ich wartete, und wartete in meinem schaukelnden Dinghy. Die drei, vier Minuten, während Reto in der Höhle war, kamen mir sehr, sehr lange vor. Aber schliesslich tauchte er putzmunter wieder auf, kam zum Dinghy und erzählte mir von der tollen Höhle. «Und wie die Wellen da drinnen tosen, Stefy. Es ist schon ein komisches Gefühl, aber die Höhle ist riesig!» Nun durfte auch ich auf Entdeckung gehen – Fische, Korallen, eine riesige Elkhorn Coral, sicher zwei Meter im Durchmesser und nur einen Meter unter Wasser! Aber ich trieb sicher fünf Minuten vor dem Eingang der ersten Höhle, um mich schliesslich abzuwenden, weil ich mich nicht traute hinein zu schwimmen. Ich hatte Angst mir den Kopf zu stossen, obwohl der Eingang genug Platz bot und in die andere Höhle hinein zu tauchen war mir weiss Gott zu unheimlich. Reto fand meine Vorsicht herzig. Er versprach, dass wir bei Ebbe wiederkommen würden, kletterte aber wieder ins Wasser. Mir voraus, schwamm er in die Höhle mit dem grösseren Eingang, damit ich ihm nachschwimmen konnte. Mensch, war mir das peinlich – weltbesegelnde Schriftstellerin von Abenteuerromanen traut sich nicht alleine in eine ungefährliche Höhle zu schwimmen! Es wurde noch ärgerlicher, als ich feststellte, was ich fast verpasst hätte: Die Höhle war so gross, wie das Kirchenschiff unserer Loreto-Kapelle auf dem Achenberg und ein Lichtkegel fiel auf die Mitte herab. Wie in meinem Roman in der Schatzhöhle hatte diese einen Absatz und war hinten höher, jedoch war die Höhle knietief geflutet. Ich kletterte mit einer Welle auf den Absatz und spazierte staunend in der Höhle umher, Reto diesmal mir hinterher. Wir betrachteten die Tropfsteine und ich posierte lustig im Lichtkegel, wie im Licht eines Scheinwerfers – und wieder gibt es keine Fotos, weil wir keine wasserdichte Kamera haben! Unsere Forschungen ergaben anhand der toten Korallen auf dem Boden und an den Wänden, dass die Höhle eins mehr mit Wasser gefüllt gewesen war. Sogar ein frecher kleiner, lila oranger Fisch hatte sich in die Höhle verirrt. Die zweite Höhle sparten wir uns für die Ebbe auf.

Illustration der Schatzhöhle aus „Höllenhunde“

Als wir zurückruderten ankerte neben Sea Chantey bereit ein Motorkatamaran. Die Brixter war auf dem Rückweg nach Florida und hatte sich den gleichen Ankerplatz ausgesucht. Ein kurzes Gespräch brachte heraus, dass Karen und Steve uns in Big Major Spot bei ihren Bootsfreunden angemeldet hatten, was uns eine Freikarte in die Cruiser Comunity werden könnte. Nicht, dass es die bräuchte, aber ist es nicht schön, wenn jemand nach einem Ausschau hält? Da sie bei Ebbe die Höhlen schnorcheln wollten, nahmen sie uns einige Stunden später in ihrem motorisierten Tender mit. Das Wasser und der Wind waren ruhiger geworden und es war keine Sache mehr durch die riesigen Höhleneingänge zu schwimmen. Karen schwamm dennoch in keine hinein. Zum Glück hatte Reto mich bei Flut in die Höhlen geführt, bei Ebbe waren sie nicht annähernd so spektakulär! Die Brixters schenkten uns ausserdem eine zweite Taucherbrille, damit wir nicht immer abwechselnd schnorcheln müssen.