Black Point

Nach fast einer Woche im meist-touristischen Ankerplatz der Bahamas, wurden uns die Jetskis, die laute Musik der Luxusjachten und die dauernden Bugwellen zu viel. Noch vor Allies fünftem Geburtstag machten wir uns unter Segeln auf den Weg. Glen und Marianne versprachen uns Fotos zu machen, dirigierten uns sogar ein bisschen via VHF und versprachen die Fotos zu schicken. Leider sind noch keine angekommen. Der Wind war nur leicht und unser Ziel lag gegen den Wind, daher kreuzten wir bis zum Abend um Black Point zu erreichen. Dieses liegt nur fünfzehn Meilen südlich von Staniel Cay und hat fast nie Touristen. Wir landeten nach kurzer Suche in der Dorfbeiz und liessen den Abend mit Rum Punch ausklingen. (In den Bahamas ist Rum Punch ein Getränk aus Rum und Fruchtsäften, welches kalt serviert wird.)

Black Point hat die beste Wäscherei in den Exumas, 2019 bekam das Rockside sogar eine Urkunde dafür. Wir ruderten nicht nur den Wäschesack an das zur Wäscherei gehörende Dock sondern auch unsere Duschsachen und die Computer. Während die Wäsche sich in der Trommel drehte, gingen wir Duschen, lasen E-Mails und ich postete Blog-Beiträge. Mittagessen liess ich von Reto besorgen, der uns bei Lorraine’s Cafe mit Burger und Kartoffelsalat eindeckte. Vor allem die Blog-Beiträge füllten den ganzen Tag, da ich wegen fehlender Zeit und fehlendem Internet zwei ereignisreiche Wochen hinterher war. Auch einmal wieder mit unseren Eltern zu skypen und mit Freunden zu telefonieren zieht sich in der Menge in die Länge. Nach einem ganzen Tag am Computer hatte ich kein Bedarf an Arbeit mehr und lotste Reto zum Abendessen ins Sunset View. Ich hatte es geschafft das einzige Touristenlokal der 900-Seelen-Ortschaft auszuwählen: Drei Katamare waren während des Nachmittags angekommen und drei Familien füllten die Terrasse. Wir warteten sehr lange neben diesem Tisch voller lauter Kinder, die dauernd aufstanden, davonliefen, sich wieder setzten und dann endlich ihren Burger bekamen. Bis die Küche unsere Bestellung ausspuckte, hatten die drei Familien gegessen und die Kinder wieder das Weite gesucht. Wir assen spät, aber in Frieden.

Wir legten einen weiteren Tag für Computer, Postkarten und Brot besorgen ein, bevor uns wieder die Hummeln in den Hintern stachen und wir weiterfuhren.

Cruisers Beach

… ist der Strand, an dem sich die «Böötler» treffen. Big Mayor Spot ist ein Ort zum Steckenbleiben, weshalb sich hier einige Boote angesammelt haben, das Reiseverbot während der Corona-Lockdowns ausgesessen haben und nun immer noch hier sind. Wer Zeit und Lust hat, begibt sich um halb sechs am Abend mit dem Dinghy an den Strand, um dort mit den anderen zu plaudern und den Sun Downer zu geniessen. Dabei werden nicht nur Neuigkeiten ausgetauscht, mitunter kommt man auch zu einem neuen Motor fürs Dinghy, zu einem Watermaker oder ähnlichen Utensilien. Hier einige Bekanntschaften:

Selin, Mad und ihre Tochter Allie (seit 5.7. fünf Jahre alt) sind das Unterhaltungsprogramm, denn die rothaarige, kleine Allie ist ein Energiebündel, das alle Aufmerksamkeit absorbiert. Mad ist Bastler, der sich gern auf dem Dump Bastelmaterial besorgt.

Alex und Pete sind Briten, die seit Ewigkeiten mit ihrem Boot und zwei Hunden unterwegs sind. Sie spielen oft Ersatz-Grosseltern für Allie.

Selin und Dennis kommen aus der Türkei und sind mit ihrem Katamaran auf dem Weg nach Belize, Mittelamerika in Big Mayor Spot hängen geblieben. Wir tauschten uns sehr lange über mögliche Plätze aus, um die Hurricane-Saison zu verbringen. Dennoch konnten wir uns weder für Belize noch für die USA entscheiden, weshalb wir weiterhin nach Südosten fahren.

Lorrie und Richard sind Freunde von Karen und Steve von der Brixter und leben in Staniel Cay. Ihre Forever Young bleibt daher auch während der Hurricane-Zeit in Big Mayor Spot.

Die für uns wichtigsten Bekanntschaften sind aber klar die Crews der Champion und der Diesel Duck. Debbie und Walter gehört das geräumige Holzschiff Champion, welches mit Baujahr 1959 genau ein Jahr älter ist als Sea Chantey. Als sie uns in den Ankerplatz kommen sahen, mussten sie zum Plaudern vorbeikommen. Wir waren von unseren Holzbooten gegenseitig so begeistert, dass wir nicht nur zu einer Tour auf der Champion kamen, sondern auch zu einer Dusche auf deren Vordeck (das erste Mal seit zwei Wochen!) und zu vollen Wasserkanistern. Wir haben die beiden einige Male kurz getroffen, aber zu einem weiteren Plaudernachmittag gab es leider keine Gelegenheit. Als wir zum Duschen auf die Champion gingen, blieben wir kurz bei einem anderen interessanten Boot hängen: Diesel Duck ist ein auffälliges Aluminium-Konstrukt. Wir lernten Marianne und Glen am Strand besser kennen, aber ein Zwischenfall verschaffte uns einen Nachmittag bei ihnen an Bord: Glen schwamm zum Boot und liess Marianne mit dem Dinghy zurück, welches sie nicht bedienen konnte. Selin und Dennis erklärten ihr, wie sie den Motor bediente, aber weil Glen die Arretierung des Sicherheitsschalters mitgenommen hatte, konnte der Motor nicht gestartet werden. Glücklicherweise hatten wir noch einen Kabelbinder im Dinghy! Damit arretierte Reto den Sicherheitsschalter dauerhaft und Marianne konnte unter Fern-Anweisung von Dennis nach Hause fahren. Sie beschwerte sich dauernd, dass keiner der Männer genug Geduld hatte um ihr das Dinghy fahren beizubringen. Auch wir ruderten zu Diesel Duck, um ihr unbeholfenes Anlegemanöver zu sehen. Nach drei Versuchen, hatte sie glücklich angelegt und schimpfte ihren Mann aus – zumindest die Arretierung hätte er dalassen können! Reto stellte sich grosszügig als Dinghy-Fahrlehrer zur Verfügung. So durfte ich am nächsten Tag das W-Lan auf Diesel Duck benutzen, während Reto und Marianne mit dem Dinghy umherkurvten. Ausserdem konnte ich mich mit Glen über seine Kunst und seine Ausstellungen unterhalten: Mit zufälligen Farbstrichen zu beginnen und dann darin abstrakte, geometrische Formen zu suchen, fand ich eine originelle Art zu malen. Aber offenbar ist Kunst zu verkaufen ähnlich mühsam, wie Bücher zu verkaufen – von den Ausstellungen hat Glen nämlich die Nase voll. Retos Geduldsfaden war länger als Mariannes – sie hatte bald die Nase voll vom Dinghy. So genossen Reto und ich eine kalte Dusche und kicherten darüber, dass Marianne sich von Dennis und Selin abholen liess, um zum Strand gefahren zu werden. Bevor wir weiterfuhren durften wir bei Diesel Duck unser Wasser auffüllen.

Wo Schweine schwimmen

Wir segelten langsam und gemächlich nach Big Mayor Spot und genossen endlich die Benutzung des Fliegers drauf zu haben. Big Mayor Spot, die Insel gleich nördlich von der Ortschaft Staniel Cay, ist nach Georgetown der meistbesuchte Ankerplatz der Exumas. Vor dem Pig Beach, wo die schwimmenden Schweine wohnen, ankern in der Hochsaison bis zu achtzig Boote aller Grössen. Dank Corona ankerten nur zehn, als wir die Segel einholten und uns ein Plätzchen suchten. Wir warfen Anker zwischen dem Pig Beach, an den alle Touristen wollen, und dem Cruisers Beach, der abends von den «durchschnittlichen» Bootsbesitzern genutzt wird, die nicht täglich Champanger auf ihren Megajachten trinken. Zu dem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, dass uns dieser Cruisers Beach für fast eine Woche magisch festhalten würde.

Wir standen am Folgetag früh auf, denn wir wollten die Thunderball Cave bei Ebbentiefstand morgens um Acht besichtigen. Ja, es handelt sich um die Höhle, die im James-Bond-Film Thunderball auftaucht und deshalb ein Mega-Touristenmagnet ist. Nachdem Reto uns die zwei Meilen rund um das Südende von Big Mayor Spot gerudert hatte, waren wir das zweite Boot vor dem Höhleneingang. Acht Touristen schnorchelten schon durch den Tunnel mit der grossen runden Höhle in der Mitte. Wieder begrüssten uns die frechen, getigerten Fische, als wir ins Wasser sprangen. Wir schwammen durch den Tunnel und erkundeten jede Ecke der Höhle, ohne dass sich zehn Taucher untereinander im Weg waren. Die dreissig Taucher in der Hochsaison – also jetzt, nur ohne Corona – hätte ich aber nicht erleben wollen. Reto, der selbst mit Schnorchel schon ganz ordentlich tauchen kann, verliess die Höhle durch einen versteckten Ausgang, während ich den «Touristenausgang» verwendete. Das Riff rund um die Höhle wurde nur von uns beschnorchelt, während Tourboot 1 das weite suchte und das nächste mit zwei Familien Anker warf. Als ich den Feuerfisch entdeckte, hielt auch ich es für an der Zeit zum Dinghy zurückzukehren. Die Feuerfische wären eigentlich im Pazifik rund um Australien heimisch, wurden aber von Aquariumbesitzern in die Bahamas verschleppt, wo sie nun einige heimische Fischsorten zu verdrängen beginnen. Um dem entgegenzuwirken wird er hier als Speisefisch beworben, damit die Fischer ihn fangen und verkaufen, wegen der Giftstacheln lassen die Einheimischen aber die Finger davon. Daher essen wir weiterhin Snapper im Restaurant statt Feuerfisch.

Auf dem Rückweg hielten wir beim Pig Beach an. Auch hier lagen schon Boote mit Touristen im seichten Wasser und die Touristen standen mit Futter am Strand. Eigentlich waren diese Schweine berühmt dafür zu den Booten zu schwimmen um gefüttert zu werden, aber hier bewies sich, dass Schweine schlau sind: Die Schweine haben längst gemerkt, dass die Touristen sie auch am Strand füttern, wenn sie nur lange genug warten. Warum also schwimmen, wenn man bequem im kühlen Wasser sitzen kann? Ich versuchte für geraume Zeit ein grosses, geflecktes Schwein zum Schwimmen zu bewegen, musste aber aufgeben, weil ich keine Kartoffeln mehr hatte. Stattdessen fütterte ich die niedlichen Ferkel mit Erdbeerabschnitten und Mangoschale, die mir der Schweinepfleger gab. Fünf kleine Ferkel, vier rosa mit blonden Borsten, eines vorne und hinten braun mit rosa Bauch und Rücken, liessen sich trotz Futter nicht vernünftig fotografieren – immer wenn das Handy in ihre Nähe kam, stürzten sie sich darauf, um es zu fressen! Interessanter als die Schweine, war es die Touristen zu beobachten: Viele hatten offenbar keine Erfahrungen mit Tieren und wurden regelrecht über den Strand gejagt. Keiner hatte Erfolg damit, ein Schwein zum schwimmen zu bewegen! Wir verliessen bald den Kinderzoo, weil es uns zu doof wurde mit Schweinen und Touristen.

Abends machten wir am Cruisers Beach neue Bekanntschaften.