Go West

Zwei Tage nach dem Westwind, der «Jolly Jumper» über die Great Bahama Bank gebracht hatte, drehte der Wind Ost. Wir verliessen in furchtbar welligem Wasser die Hafeneinfahrt und wurden den ganzen Tag geschaukelt. Mit dem Sonnenuntergang fuhren wir unter vollen Segeln in die Hafeneinfahrt von Fort Lauderdale. Wir müssen grandios ausgesehen haben, denn eine kleine Drohne verfolgte und umschwirrte uns. Das Funkgerät der Marina war leider nicht mehr besetzt, daher warfen wir an einem Ort den Anker, wo wir glaubten nicht zu stören. Es gab dort zwar nur zwei Moorings, wovon eine besetzt war und die andere für unseren Geschmack zu nahe an einer Mauer, trotzdem informierte uns der Hafenmeister der Las Olas Marina, dass wir mitten in seinem Mooringfeld geankert hatten. Ich einigte mich schliesslich mit ihm, dass wir die nächste Nacht an seinem Pier verbringen würden. Danach brachte uns ein Uber-Fahrer zum Zollbüro. Tatsächlich war es kein Problem, dass Gwendolyn mit ESTA einreiste, nur darf sie nur 90 Tage bleiben während wir 180 Tage bleiben dürfen. Auch das Cruising Permit wurde durch eine Fehlüberlegung unsererseits nur bis August genehmigt – es folgt also noch Papierkrieg. Aber wir waren nun offiziell eingereist und konnten uns mit David von «Wild Beast» verabreden. Reto, dessen Erkältung sich verschlimmerte, hütete Gwenny, während ich uns eine SIM-Karte besorgte. Um Windeln zu kaufen spazierte ich mit Gwendolyn zur Apotheke. Nachdem «Wild Beast» heute endlich ausgewassert worden war, trafen wir uns mit David in der Sports Bar seines Hotels. Der Engländer, den wir in Georgetown kennengelernt hatten, genoss unseren Besuch ebenso wie wir. Wir tranken Bier, assen und plauderten, bis Gwendolyn schon eingeschlafen war. Entsprechend nahmen wir uns tags darauf noch einmal frei.

Retos Stimme klang noch schlimmer als vorher, daher spazierten Gwenny und ich erneut zur Apotheke und deckten uns mit Vicks und Hustensirup ein. Dank des Nasensprays und eines Nickerchens ging es Reto am Abend wieder so gut, dass wir sogar Glacé essen gingen an der überfüllten Strandpromenade. Ja, auch in Florida muss man in öffentlichen Gebäuden Maske tragen, aber draussen interessiert es niemanden.

Eigentlich hätten wir 90 Meilen bis Vero Beach in einem Übernachttrip durchfahren wollen, aber wir hatten uns zu wenig über das Wetter informiert. Der Ostwind hatte hohe, spitze Wellen aufgeworfen. Wir kamen kaum durch sie hindurch, während wir den Einfahrkanal des Hafens durchquerten. Seit der Hormonkur in meiner Schwangerschaft bin ich nicht mehr so draufgängerisch wie früher und brauchte Stunden um mich von dem Seegang im Kanal zu erholen. Das schlimme daran ist, dass ich nicht weiss, wovor ich mich eigentlich fürchte – denn wir hatten schon viel (!) schlimmeres hinter uns. Jedenfalls kaum hatte ich mich erholt, begann der Wind nachzulassen, die Wellen allerdings kaum. Die Entscheidung, ob wir das Grosssegel nun einholen oder nicht, nahm uns das Wetter ab. Eine grosse, dunkle Wolke braute sich über uns zusammen und wir holten das Segel ein, weil wir erwarteten, dass der Wind drehen würde. Ich konnte gerade alles inklusive Gwendolyn in die Kabine Räumen, alle Fenster schliessen und Reto eine Jack geben, als der Regen wie aus Eimern zu schütten begann! Die Wolke reichte bis auf die Wasseroberfläche und sahen keine fünfzig Meter mehr voraus. Reto steuerte tapfer durch den Regen ohne zu Abend gegessen zu haben und ich studierte das Regenradar. Es sah nicht aus, als würde es bald wieder aufhören, immer kam neue Wolken auf den Bildschirm! Aber eine kleine Pause zwischen den Schauern würde genügen um den Inlet nach West Palm Beach zu passieren, was wir probt taten. Mit dem Sonnenuntergang und dem Gezeitenstrom sausten wir in den Teil des ICW, den nicht leiden konnten. Ausnahmsweise waren wir das einzige Boot unterwegs. Wir schipperten einige Meilen nach Norden zu einem Ankerplatz den wir kennen und als akzeptabel in Erinnerung behalten hatten. Weil bei unserem Scheinwerfen der Akku leer wurde, legten wir den halben Weg in völliger Dunkelheit zurück. Schliesslich warfen wir endlich den Anker und ich konnte den Kapitän füttern.

Schlechtwetterfront

Kurz vor Fluthöchststand  fuhren wir durch den Farmers Cut auf die Ostseite der Inselreihe. Während auf der Westseite der Exuma Islands eine weite Bank flaches Wasser und gelegentliche Untiefen aufwies, ist die Ostseite ein tiefer Meeresgraben. Wegen des flachen Wassers kann Sea Chantey die Seite nur an bestimmten Stellen wechseln und unser Tagesziel lag auf der Ostseite. Wir wollten zur Emerald Bay Marina, die wir für einen guten Ort zur Proviantaufnahme hielten. Nur lief nicht alles wie geplant:

Nass und kühl am Steuer in Badehose und Ölzeug

Kaum hatten wir volles Tuch gesetzt und waren bei seltenem und ordentlichem Südwestwind unter allen vier Segeln unterwegs, breitete sich eine graue Wolke über dem Himmel vor uns aus. Ein Gewitter muss in den Bahamas keine grosse Fläche abdecken, aber es kommt immer mit Blitz, Donner, viel Regen und einem eigenen Windsystem. Ich war am Steuer und Reto warnte mich gerade noch früh genug, bevor die erste Böe Sea Chantey erfasste. Wir krängten (kippten) nach Lee. Fast ein bisschen panisch luvte ich an, damit wir weniger schief lagen, denn eine solche Schräglage hatten wir seit der Nordseite von Cape Cod nicht mehr gehabt. Zwei weitere Böen erfassten uns, dann hatten wir Gelegenheit das Grosssegel einzuholen, was Reto umgehend tat. Bald darauf ergoss sich ein Regenschauer über uns, doch das Gewitter zog in unmittelbarer Nähe an uns vorbei. Dummerweise änderte nun auch die Windrichtung, statt gemütlich auf Halb-Wind-Kurs erreichbar, lag unser Ziel nun im Gegenwind. Dazu kamen die nächsten Gewitter in Sicht. Wir begannen gegen den Wind aufzukreuzen und beobachten gespannt die entfernten Blitze. Regen und Wind waren für bahamische Temperaturen kalt, weshalb ich uns bald die Ölzeug-Jacken aus der Kabine holte. Die Regenwolke zog mittig über uns hinweg, während es rund um uns herum donnerte. Und dann starb der Wind. Wir bewegten uns kaum noch vorwärts. Der Flieger flatterte, weil er nicht genügend Winddruck hatte. Da sich beim Niederholen des Fliegers eine Leine verklemmte, mussten wir mitten im Manöver die Plätze tauschen – ich musste wieder ans Steuer, während Reto den Flieger barg. Unter Fock- und Besansegel versuchten wir noch eine Weile unser Glück mit aufkreuzen, aber wir machten kaum noch Fahrt und starteten den Motor. Die Filter müssten wieder gewechselt werden, daher stotterte Sea Chantey’s Vetus ein bisschen, aber sie brachte uns zuverlässig durch den Regen der dicht und fadengerade auf uns niederprasselte. Dies alles hatte Zeit gekostet und unser Kartenplotter berechnete, dass erst gegen 21:00 Uhr in Emerald Bay ankommen würden. Um nicht bei Nacht in eine schmale Hafeneinfahrt fahren zu müssen, beschlossen wir bei Black Cay zu Ankern, welches wir mit dem Sonnenuntergang erreichen konnten. Ich durfte mich dann eine Weile in der Kabine wärmen, bevor ich uns dafür zwischen den Cays hindurch in den weiten Ankerplatz hineinlotste. Der Anker hielt beim ersten Versuch bombenfest und wir liessen den Blitzableiter ins Wasser hinab, bevor wir uns in die Kabine verkrochen. Dann gab es seit langem einmal wieder heissen Grog für uns und die Riesenportion Paprika-Nudeln, die ich zum «Znacht» kochte, verdrückten wir problemlos.

Quarantäne-Abenteuer III: Regen

Nach Wochen der stehenden Hitze war schon dieser erfrischende Wind ein echter Segen. Wir hatten uns bis letzte Woche noch immer nicht richtig an dieses Klima gewöhnt und sehnten uns nach dem kalten Norden: Zum Vergleich, wir befinden uns auf dem gleichen Breitengrad wie die Sahara. Nun betrachteten wir aber mittel Woche abends eine dunkelgraue, blitzende Gewitterwolke am nördlichen Himmel. Aber aus der Erfahrung wussten wir, dass diese so schnell verschwinden konnte wie sie aufgetaucht war. Ich schlief wegen des wunderbaren, kühlen Windes in der folgenden Nacht sogar auf dem Deck ohne nass zu werden. Weil das Deck aber etwas unbequem war, erwachte ich früh und machte Kaffee. Während des Frühstücks beobachteten wir dauern diese schwarze Wolke. Der Wind frischte weiter auf. Als wir entschieden die Dachluken zu schliessen, begann es ohne weiter Vorwarnung wie aus Eimern zu schütten! Erst schlossen wir alle Dachluken, dann die Bullaugen, weil das aufprallende Wasser auf dem Deck hereinspritzte, danach steckten wir die hölzerne Tür in den Niedergang. Leider erinnerten wir uns erst dann an das Dinghy. Weil es am Tag vorher abgesoffen war, weil die Schraube im Abfluss nicht mehr dicht war, hatte Reto diese mit einem sehr dichten Holzzapfen ersetzt und es an die Davits gehängt. Wenn der Regen unsere Alianza mit Wasser füllte, bestand die Gefahr, dass die Davits dem Gewicht nicht mehr standhielten und ausrissen! Heldenhaft (wie er sich vielleicht vorkam) zog sich Reto komplett aus, sprang aus der Schiebeluke über das Holztürchen und löste die Halteseile, mit denen das Beiboot an den Davits aufgezogen war. Mein Auftrag war ihm ein trockenes Handtuch zu besorgen – dabei hatte ich andere Probleme! Durch die Sonneneinstrahlung war unser Deck stark ausgetrocknet und nicht mehr dicht. Es tropfte überall in unsere Betten, direkt von der Decke ins WC und in die Küche. Ich kramte also das einzige Badetuch unter der Sitzbank hervor, dass nicht draussen «zum Trocknen» aufgehängt war. Bis dahin war ein pitschnasser, sehr erfrischter Reto wieder in die Kabine geklettert. Er bekam das Handtuch und ich verteilte Schalen, Töpfe und Tücher unter dem tropfenden Deck. Natürlich zu spät, alles war schon nass. Kein Wunder, auf dem Deck stand das Wasser fünf Zentimeter tief. Wir machten es uns an den trockenen stellen bequem und taten, was man an regnerischen Tagen tut: Wir sahen einen Film.

leider sieht man nicht wie tief das Wasser an Deck ist

Bis Baron von Münchhausen die Stadt gerettet hatte, war der Monsun vorbei und das Deck schon wieder trocken. Wir schafften nun alle Tücher zum Trocknen an Deck. Ausserdem pumpten wir unser armes, halb ertrunkenes Dinghy aus. Die Bettdecken mussten aber abends in den Trockner.