Am Dienstag, 22. Oktober war viel Wind angesagt. Doch zunächst hatten wir grosses Glück. Nämlich ging uns noch am Pier das WC-Papier aus und nicht erst auf offener See. So konnten wir den freundlichen Hafenmeister bemühen, der uns sechs dieser wichtigen Rollen schenkte. Wir legten ausnahmsweise unter Segel ab. Bald waren wir unter Fock- und Besansegel unterwegs, wobei wir nur so durch die Wellen sausten. Wir fuhren in grossem Bogen zu unserem Ziel, welches einige Buchten weiter südlich war. Ich sass auf einer der Kisten neben dem Grossmast und genoss die Sonne, als sich die hintere Ecke des Klüversegels von ihrem Baum losriss. Da ich sowieso vorn war, leitete ich auch gleich das Manöver ein, während die Jungs im Cockpit noch realisierten was los war. Während Reto aufschoss – also den Bug in den Wind drehte – löste ich das Fall und holte das Focksegel ein. Richard kämpfte sich, geschüttelt von den grossen Wellen, nach vorne und gemeinsam knüpften wir die Segelecke wieder am Baum fest. Es dauerte einen Moment, weil wir uns sehr gut festhalten mussten, um nicht von den Wellen von den Füssen geschleudert zu werden. Bald war das Segel aber wieder funktionstüchtig und wir stolz, weil wir die Situation so gut gemeistert hatten. Ursprünglich wollten wir nach Liscombe, mangels guter Anbinde-Möglichkeiten ankerten wir aber in Spanish Ship Harbour. Der Ankergrund war uns etwas suspekt, weshalb wir in dieser windigen Nacht alle paar Stunden auf dem GPS unsere Position prüften.
Morgens um sechs fluchte Reto nach dem Blick auf das GPS, wovon ich aus einem eigenartigen Traum aufwachte. Sea Chantey war abgetrieben, weil der Anker nicht gehalten hatte. Da von Retos Bewegungen auch Richard wach geworden war, machten wir uns alle bereit für die folgende Hardcore-Aktion. Im Halbdunkel gingen wir an Deck, um die Lage auszuchecken. Schon kurz darauf entschieden wir den Anker zu hieven und uns einen anderen Platz zu suchen. Reto fuhr Sea Chantey gegen den Ostwind an, um die Ankerkette zu entlasten, während Richard und ich den Anker hoben. Richard übernahm jeweils das Kraftintensive einholen der Kette, ich dirigierte vom Bugspriet aus den Pflugscharanker durch die Stahlseilkonstruktion. Wir hatten Sturm an diesem Mittwoch und wollten den Tag in der Bucht verbringen. Um nicht noch einmal in das windige Wetter hinauszumüssen, beschlossen wir zwei Anker hintereinander an der gleichen Kette zu setzen. Daher befestigten Richard und ich die Anker «in Serie» und liessen sie zu zweit ins Wasser geleiten. Nachdem, nach einigem Wiederstand der Leine, auch die Leine montiert war, die die Ankerkette von der Bugsprietkonstruktion fernhielt, konnten wir uns endlich zum Frühstück hinsetzten. Das Seewolfs Brot, das ich am Vorabend gebacken hatte, kam uns sehr gelegen. Den stürmischen Tag verbrachten wir mit putzen, lesen und backen – Richards Cheesecake war uns eine wahre Freude. Gegen Abend wurde das Wetter richtig wüst: Böen bis 40 Knoten schaukelten uns. Der Regen prasselte laut auf unser Kabinendach. Ausserhalb der Bullaugen blitzte es. Aber wir bewegten uns nicht vom Fleck, denn diesmal hielten die Anker bombenfest.
Der Donnerstag begann damit, dass wir unsere Ankerkombination aus der Tiefe ziehen mussten. Richard zog die Kette ohne die Winde hoch, ich war erst von nutzen als wir den zweiten Anker an Bord hieven mussten. Mit dem Bootshaken zog ich die Kette an, bis Richard den frei schwingenden Anker greifen konnte. Dann löste ich den Schäkel und wir konnten beide Anker wegräumen, einen an Deck, einen auf der Rolle, wo sie hingehörten. Unter Motor machten wir eine schöne Spritztour zwischen den Inseln hindurch, vorbei an Orten mit lustigen Namen: Via Ecum Secum fuhren wir nach Necum Teuch. Unter Segel kamen wir als wundervolles Fotomotiv im Abendlicht in Sheet Harbour an. Die Marina kam uns spanisch vor, weshalb wir unterhalb des Wasserfalls in der Bucht ankerten.
