Es hatte nachts geschneit, der Mount Desert war wie mit Puderzucker bestreut und ragte prächtig aus einer Nebelschwade. Ebenso bezuckert waren unsere Segel, weshalb ich von einer kleinen Lawine getroffen wurde. Aber dank meiner neuen Fellmütze blieb ich warm. Bald konnte ich sie ausziehen, wenn die Sonne schien fröhlich und warm. Mit ganz leichtem Wind bewegten wir uns zwischen den kleinen Inseln hindurch. Hin und wieder kreuzten wir ein kleines Hummerboot. Maine – Lobster County – ist gespickt mit Hummerkörben. Zu jedem gehört eine kleine, fast unsichtbare Boje, denen es auszuweichen gilt. Einmal fing Reto eine auf und musste sie mit dem Bootshaken aus dem Ring befreien, der an unserm Bug vorsteht. In den schmalen Kanälen zwischen den Inseln lagen Fischerorte, die wir im vorbeifahren beobachteten. Wir waren dort im Windschatten und sehr langsam, daher hatten wir viel Zeit die Umgebung zu geniessen. Allerdings passierten wir die letzte Inselgruppe erst bei Sonnenuntergang. Zwischen uns und Rockland lagen nur noch wenige Meilen als der Wind drehte und wir Gegenwind hatten. Wir holten also im Dunkeln die Segel ein, denn die Dämmerung ist hier kurz.

Ich musste nun Lasertack spielen. Bewaffnet mit dem starken Handscheinwerfen setzte ich mich im Dunkeln auf den Bug und suchte die Wellen ab. Damit wir nicht an einer Hummerkorbboje hängen blieben, musste ich diese früh genug erkennen, damit Reto ausweichen konnte. Manchmal war es gar keine einfache Aufgabe, ich hielt zum Beispiel eine Gruppe Seevögel für Bojen, …bis meine Bojen davonflogen. So arbeiteten wir uns dem Breakwater Lighthouse entgegen, welches auf einem anderthalb Meilen langen Wellenbrecher thront. Nachdem wir es passiert hatten, waren wir wieder am Anfang. Da wo wir Sea Chantey vor einem Jahr gekauft hatten.
In Rockland gab es nur noch einen einzigen Pier, gleich beim teuren Restaurant auf dem Pier. Leider gehörte der Pier nicht zum Restaurant, aber wir fanden dennoch jemanden, der uns erlaubte zu bleiben. Wir erlaubten uns einen Cocktail. Schon etwas alkoholisiert erlaubten wir uns auch ein Abendessen im teuren Restaurant und eine Flasche Wein. Wir torkelten ganz ordentlich als wir uns ins Bett schleppten, ich hatte am Morgen noch Nachwehen. Erwin, der bei der Firma angestellt ist, der der Pier gehört, luden wir nächsten Tag zum Kaffee ein. Wenn wir Grenada erreichen, sollen wir am Strand links ankern und nach seinem Bruder Richard fragen. Er erzählte uns vom Fischfang in der Karibik und seiner Kindheit, dann war er wieder verschwunden wie nie dagewesen. Wir suchten uns eine Dusche, die wir in einem Gym bekamen. Bei Hamilton Marine kauften wir Kupferschrauben für die Bullaugen und assen ein spätes Mittagessen in der Brauerei. Mit Brad, Sea Chanteys Vorbesitzer, verabredeten wir uns auf Cape Cod, da er dort gerade Ferien machte.


Bei laschem Wind kämpften wir uns nach Südwesten. In Tagesetappen, abends jeweils endend an dem Pier einer Marina, arbeiteten wir uns südwärts. In Booth Bay kam Weihnachtsstimmung auf, weil wir mitten im Stadtzentrum anlegten. Die geschmückten Geschäfte und beleuchteten Strassen erinnerten uns an einen Weihnachtsmarkt. In Portland gingen wir einkaufen und deckten uns mit italienischen Köstlichkeiten ein, denn ein Comestibles war die nächste Einkaufsgelegenheit. In vorbeigehen konnten wir die Schmalspurdampfbahn bewundern, bevor wir wieder die Segel setzten. In Kennebunk fuhren wir im Kanal auf Sand auf, weil die Ebbe aussergewöhnlich tief war. Aber eine Stunde später konnten wir an den Pier einer Marina fahren. Wegen der starken Strömung des auflaufenden Wassers schafften wir es nicht in die Box und kollidierten mit einem Fischerboot. Wir legten also in der benachbarten Marina an und hinterliessen dem Fischer einen Zettel. Doch dieser meldete sich nie. Dafür traf mich am nächsten Morgen fast der Schlag als uns die Marina 3 Dollar je Fuss verrechnete – ein Schnäppchen, da die Kosten im Sommer bei 6 Dollar je Fuss liegen. Ich räusperte mich und zahlte mit Karte. Dafür legten wir einige Stunden später in einer grossen Marina in Portsmouth, New Hampshire an.

Nun genossen wir meinen Geburtstag: Wir machten einen Spaziergang zur Wehranlage, gingen duschen und assen wunderbar zu Abend. Ich hatte unterwegs Kuchen gebacken, daher hatten wir sogar Dessert. Ein Blick auf die Windvorhersage liess uns entscheiden, dass wir einige Tage bleiben würden.
