Das Wetter war doch so schön gewesen! In Lunenburg unternahm ein freundliches Päärchen einen spontanen Ausflug mit uns. Mit ihrem Auto fuhren sie uns in der Gegend um her, zeigten uns die wunderschöne Fischerortschaft Blue Rocks und alles, was wir ihnen geben konnten, waren einige Tafeln Schokolade. Blue Rocks besteht aus kleinen, bunten Häusern an einer felsigen Küste. Einige Häuschen stehen auf den Felsen mit dem Pier direkt vom Haus, so dass ein Fischer nur einen grossen Schritt zu machen braucht, um an Bord seines Schiffes zu gelangen. In einer Landschaft wie von einer Postkarte pirschte ich mich an ein Eichhörnchen, bis es entsetzt die Flucht ergriff und sich unter der Fussgängerbrücke versteckte. Die Gastfreundlichkeit der Kanadier ist manchmal kaum zu glauben, am gleichen Abend lud uns der Besitzer des Ausflugs-Schoners Eastern Star auf eine Dusche ein. Er betreibt im Sommer ein Bed&Breakfast, weshalb wir in einem ausgebauten Badezimmer abwechselnd duschen konnten. Der jeweils andere sass in der beheizten Stube und plauderte über Holzschiffe.
Auch war das Wetter sonnig als wir in Lunenburg ablegten und nach Süden segelten, bis der Wind nicht mehr mitmachte. Das Einholen der Segel hatte seine Tücken. Ich liess dummerweise das Besanfall, an welchem das Segel den Mast hochgezogen wird, los. Daher musste Reto mich an der Wang den Besanmast hochziehen, damit ich es greifen und herunterziehen konnte. Es ist nun an der Klampe verknotet, damit es nicht wieder verloren geht.
Die Etappe des nächsten Tages wählten wir etwas länger, um schneller nach Süden zu kommen. Wir erwarteten schlechtes, beziehungsweise stürmisches Wetter. Erst nach Sonnenuntergang trafen wir in Port Joli ein. Die Kojoten heulten unheimlich an Land, während wir den Anker warfen. Der Wetterbericht stimmte uns kritisch: Wegen der Sturmwarnung mussten wir am nächsten Tag den Hafen erreichen, in dem wir den Sturm abwarten wollten, doch würden wir starken Gegenwind haben. Wir entschieden schon am frühen Morgen abzulegen, daher konnte Reto schon morgens um eins nicht mehr schlafen. Er zog im Dunkeln den Anker hoch und steuerte Sea Chantey aus der Bucht heraus auf das offene Meer. Ich durfte noch einige Stunden schlafen, aber morgens um fünf musste auch ich aus den Federn kriechen um Reto mit Kaffee zu versorgen. Schichtwechsel war lange vor Sonnenaufgang, weshalb ich unterm Sternenzelt am Steuer sass und hinter meiner linken Schulter der Horizont heller wurde. Wer glaubt, Reto könnte nun schlafen, täuscht sich. Logbuch, Navigationsgerät, Wetterbericht und Kaffee beschäftigten ihn, weshalb nur ich den Sonnenaufgang geniessen konnte. Dann war der Genuss vorbei. Kaum war es Tag, frischte der Wind auf. Wir kämpften die ganze Etappe mit starkem Seegang bei böigem Gegenwind. Grössere Wellen bremsten uns, wenn sie auf den Bug trafen. Da wir aber so früh abgefahren waren, erreichten wir den Fjord von Shelburne am helllichten Nachmittag noch vor dem Sturm.
Vor einem Jahr hatten wir in dieser grösseren Fischerortschaft einklariert, uns also beim kanadischen Zoll angemeldet. Der wunderbare Jachtclub mit der gemütlichen Bar war aber im Sommer ausgebrannt und die Stege für den Winter aus dem Wasser gezogen. Daher suchten wir beim T-förmigen Dock einen Anlegeplatz. Dieser wird nur von Fischern benutzt, die sich zurzeit für die «Lobster Season» vorbereiten. Ab dem 25. November, dem «Dumping Day» dürfen die Hummerkörbe verteilt werden, daher ist momentan in den Fischerhäfen viel los. Als wir festmachen wollten, stand schon der Hafenmeister bereit… und gebot uns an einem Fischerboot festzumachen. So dockten wir an die Backbordseite der Frederick & Sisters, wo wir blieben bis wir Shelburne wieder verliessen.