Das Pferderennen

Sid verabschiedete uns mit einem riesigen, kalten Packet mit gefrorenem Eigenfang:

  • Heilbutt Filet
  • Schwertfischsteak
  • Rauchfisch
  • Rehsteak (in Kanada nur zu bekommen von jemandem, der selbst jagt)
  • Eine ganze Ente
  • Truthahn Stew von seiner Mutter
  • Eingelegte Rote Beete und Zucchini

Es verschlug uns die Sprache! Mit einer Einladung in die Schweiz und einigen Tafeln Schokolade bedankten wir uns so gut wir konnten. Dann machten wir uns auf den Weg. Wir hatten uns für eine Route scharf vorbei am Kap entschieden. Die Unterwasser-Topografie und eine Ansammlung von Untiefen verursacht rund um Cape Sable Strömungen und ungleichmässige Wellen, sogenannte Wasserturbulenzen. Laut unserem Küstenführer sind sie stark genug um eine Jacht Heck nach vorne zu drehen, wenn der Steuermann nicht Acht gibt. Da aber der Gegenwind gegen Mittag abflaute und die Wellen weniger und weiter wurden, rechneten wir uns eine gute Situation aus. So war es auch, nur war auch die gute Situation anspruchsvoll. Vor dem Kap übernahm ich das Steuer und steuerte uns durch die «horse race» genannten Untiefen. Über diesen türmten sich die Wellen hoch auf, ihre Abstände wurden kurz und die Strömungen machten Sea Chantey schwer steuerbar. Die Wellen bremsten uns, weshalb Sea Chantey selbst mit 3000 Touren Mühe hatte eine Geschwindigkeit von 5 Knoten zu halten. Während unser Bug über drei Meter in die Wellentäler hinabfiel, wir unseren Bugspriet regelmässig tauchten und ich mich um das Kap mit dem Leuchtturm kämpfte, sass Reto in der Küche. Fröhlich pfeifend schmierte er Frischkäse-Brötchen. Vor dem Kap musste ich den Kurs ändern, weshalb wir die Wellen von der Seite hatten. Dies schaukelte uns nicht weniger, aber bremste Sea Chantey nicht mehr. Bis Reto gegessen hatte, hatten wir das Kap umrundet. Die Wellen wurden länger und auch ich konnte mich über mein Brötli hermachen.

Ich möchte noch erzählen, dass ich ein echtes Phänomen der Seekrankheit bin. Ein bisschen Schaukeln ist kein Problem, bei mehr Schaukeln wird mir übel, aber wenn die Wellen eine gewisse Höhe überschreiten, ist meine Seekrankheit kuriert. So war mir nicht wohl und ich hatte keinen Hunger, bis ich mit dem «horce race» kämpfen musste. Auch danach hielt sich der Hunger in Grenzen, obwohl mir nicht mehr schlecht war. Aber im Hafen hatte ich Hunger wie ein Wolf, …wie ein Seewolf!

Nun sog uns die Flut der Bay of Fundy entgegen, die den Weltgrössten Gezeitenunterschied hat. Als Ziel hatten wir Wood Harbour gewählt, wo Sids Grossvater wohnt und er daher wusste, dass wir hier das benötigte Material für die weitere Montage unserer Heizung bekommen würden. So fuhren wir in den Fischerhafen ein und machten am erstbesten Fischerboot fest. Reto fand auf seinem Spaziergang keine Hafenaufsicht, aber es schien an diesem Abend niemanden zu interessieren, ob wir da waren. Ich kochte uns die Heilbutt Filets, nature, munière und al Pesto, und eines ist sicher: Sid fischt verdammt guten Fisch.

Der Fischer von Port La Tour

Weil wir erst am späten Vormittag abgelegt hatten, erreichten wir das zwei Buchten südlich gelegene Port La Tour erst nach Sonnenuntergang. Zwei Fischerhäfen standen zur Auswahl, der nördliche war laut Karte nicht tief genug, der südliche hatte einen Wellenbrecher in der Einfahrt. Wir entschieden uns für den Südlichen, weshalb ich mit dem Suchscheinwerfer auf dem Bug stand und die Verbauung suchte. Diese war aber entfernt worden, weshalb wir ungehindert in einen grossen, gut beleuchteten Hafen einfuhren. Die Fischerboote schienen sich nahezu zu stapeln, der Hafen war voll. Aber am äussersten Pier war ein Liegeplatz frei, an dem wir anbanden. Während ich die Springleinen befestigte, machte Reto sich auf die Suche nach Jemandem, der uns einen Platz zuwies. Zurück kam er mit den Worten: „Ich habe jemanden auf ein Bier eingeladen!“ Zu Besuch kam ein Mann Mitte Zwanzig mit Baseball Cap und Gummistiefeln: Sid. Bei einer Dose Bier plauderten wir über unsere Pläne und Fischerei. So brachten wir in Erfahrung, dass Schwertfisch, Heilbutt und Thun mit der Harpune gefischt werden und dass er sein Boot mit integrierten Tanks für die Zwischenlagerung der gefangenen Hummer ausgerüstet hatte. Das grosse Boot besitzt er seit drei Jahren, aber er hatte schon mit achtzehn Jahren mit einem eigenen Boot gefischt. Privat war er Familienvater und trainierte Zugpferde für Zugwettkämpfe auf Prinz Edward Island. Er hatte uns einen Adapter für unser Verlängerungskabel mitgebracht und meinte: „Ich musste lange suchen bis ich jemanden fand, der einen hatte. Alle Jungs sagten nur: die Schweizer können an meinem Boot festmachen und direkt das Kabel am Boot einstecken. Aber nun könnt ihr gleich an meinem Liegeplatz bleiben, das ist bequemer.“ Wir waren wieder einmal beeindruckt von der Gastfreundschaft der Kanadier. Und dass wir an Sids Liegeplatz lagen, fanden wir lustig. Er hatte sein monströses Fischerboot zum Beladen mit Hummerkörben, an einen anderen Pier gefahren.

Wir mussten wieder einen Tag im Hafen verbringen, weil der Novemberwind auf See so stark blies. Wir machten einen Spaziergang zum nahen Fort, plauderten mit verschiedenen Fischern und begannen unsere Heizung zu montieren. Allerdings stellten wir die Montage nicht fertig, weil noch Kupferrohre und ein Loch im Dach zu besorgen waren. Sid kam mit seiner Freundin zum Plaudern vorbei, weshalb wir ihn gleich in die Planung des nächsten Tages einbezogen. Wir wollten Cape Sable umrunden, welches für seine Wasserturbulenzen berüchtigt und «gefürchtet» ist. Die lokale Bevölkerung nennt es das «horse race». Man muss es im richtigen Moment durchqueren, damit die Flut dem Schiff durch die Wasserwirbel hilft. Daher rechneten wir aus, wann wir aufbrechen mussten und entschieden um elf am Morgen abzulegen.