Memorial Day Weekend

Toogoodoo River ist der Ort an dem ich aus Versehen und Reto mit voller Absicht Gwendolyn fabriziert hatten. Dennoch fuhren wir am nächsten Tag weiter ohne ihr die Geschichte näher zu bringen. Vermutlich sind wir das einzige Schiff, welches in diesem Abschnitt der Intracoastal Waterways segelt. Die kleinen Ausflugsboote betrachteten uns mit Freude. Einem übergaben wir in voller Fahrt eine Visitenkarte und bekamen einige coole Fotos zurück. Aber ich staunte nicht schlecht als wir in Chaleston, inzwischen in South Carolina ankamen. Ich telefonierte mit jeder – JEDER – Marina, aber ALLE waren voll! Da wir inzwischen eine Tour durch den Hafen gemacht hatten, ankerten wir im Wando River, einige Meilen oberhalb der Stadt. Ich fühlte mich schuldig, nicht reserviert zu haben. Das Memorial Day Weekend war, wussten wir noch nicht. Im Grossen und Ganzen gefiel uns der Ankerplatz sehr, nur ging an diesem Abend das Wasser in den Tanks aus. Reto musste in Sea Chanteys hinterste Winkel kriechen, um das kanadische Wasser in den Kanistern hervorzuholen. Am Sonntagmittag gingen wir Tanken, kauften Eis und füllten die Tanks und Kanister auf. Die Jungs konnten es nicht sein lassen und segelten zum Ankerplatz auf der anderen Seite der Stadt, gegenüber der Marina, in der das Boot von einem Freund von Chloé und Florent seinen Hafenplatz hatte. Ihr Freund PJ kam uns mit seinem Dinghy begrüssen, noch bevor wir Anker geworfen hatten. Er überliess uns sein motorisiertes Dinghy für die nächsten Tage und seine Schlüsselkarte für die Duschen der Marina. So flitzten Chloé und ich mit Florent am Steuer zum nächsten Laden. Wir verloren Florent einmal, fanden ihn wieder mit einer riesigen Schachtel Minitischbomben (denn er liebt Feuerwerk) und guckten unter dem Zaun hindurch beim Baseball Match zu. Nach einem Home Run (wenn der Ball das Stadion verlässt) rannte auch Florent plötzlich davon. Zurück kam er mit einem Baseball. Reto und Gwendolyn waren in der Zwischenzeit zum Glück nicht abgetrieben.

Nach einer Dusche gingen wir die Stadt erkunden. Reto liebte die schönen, alten Holzhäuser, mir gefielen die Gärten und Auffahrten. Nach dem Mittagessen liess Florent wieder seine Magie wirken: Er begrüsste den Verkäufer im Teppichladen auf Französisch und traf voll ins Schwarze. Obwohl die Teppiche türkisch waren, war der Verkäufer Marokkaner. Ein kleiner Schwatz und wir sassen mit Apfeltee auf dem Diwan während Gwendolyn auf einem seidenen Teppich herumkrabbelte (oder zumindest versuchte sie es). Wir spazierten durch die Stadt und durch einen der vielen Pärke. In der Zeltstadt einer Kunstausstellung verloren wir Florent erneut, der Kunstabsolvent plauderte eine gute Stunde mit einem Künstler. Dann mussten wir uns plötzlich beeilen: Reto und ich wollten uns noch umziehen, ehe PJ uns abholen kam. Wir waren schliesslich zum Abendessen eingeladen. Das Haus im Sumpf, welches PJ mit seiner Frau und seinem jüngsten Sohn seit zwei Jahren bewohnte, war wunderbar. Wasser zu drei Seiten, Veranda zu drei Seiten und rundum Blick ins Grüne. Nach dem Abendessen versuchten wir uns im Toubalou, ein Kartenspiel welches Chloé, Florent und PJ oft gespielt hatten, während sie gemeinsam unterwegs gewesen waren. Chloé hat geradezu magische Fähigkeiten diese Spiel zu gewinnen, während wir drei Neulinge kläglich versagten.

Südwestwärts

Es hatte nachts geschneit, der Mount Desert war wie mit Puderzucker bestreut und ragte prächtig aus einer Nebelschwade. Ebenso bezuckert waren unsere Segel, weshalb ich von einer kleinen Lawine getroffen wurde. Aber dank meiner neuen Fellmütze blieb ich warm. Bald konnte ich sie ausziehen, wenn die Sonne schien fröhlich und warm. Mit ganz leichtem Wind bewegten wir uns zwischen den kleinen Inseln hindurch. Hin und wieder kreuzten wir ein kleines Hummerboot. Maine – Lobster County – ist gespickt mit Hummerkörben. Zu jedem gehört eine kleine, fast unsichtbare Boje, denen es auszuweichen gilt. Einmal fing Reto eine auf und musste sie mit dem Bootshaken aus dem Ring befreien, der an unserm Bug vorsteht. In den schmalen Kanälen zwischen den Inseln lagen Fischerorte, die wir im vorbeifahren beobachteten. Wir waren dort im Windschatten und sehr langsam, daher hatten wir viel Zeit die Umgebung zu geniessen. Allerdings passierten wir die letzte Inselgruppe erst bei Sonnenuntergang. Zwischen uns und Rockland lagen nur noch wenige Meilen als der Wind drehte und wir Gegenwind hatten. Wir holten also im Dunkeln die Segel ein, denn die Dämmerung ist hier kurz.

Schnee auf den Segeln in Southwest Habor

Ich musste nun Lasertack spielen. Bewaffnet mit dem starken Handscheinwerfen setzte ich mich im Dunkeln auf den Bug und suchte die Wellen ab. Damit wir nicht an einer Hummerkorbboje hängen blieben, musste ich diese früh genug erkennen, damit Reto ausweichen konnte. Manchmal war es gar keine einfache Aufgabe, ich hielt zum Beispiel eine Gruppe Seevögel für Bojen, …bis meine Bojen davonflogen. So arbeiteten wir uns dem Breakwater Lighthouse entgegen, welches auf einem anderthalb Meilen langen Wellenbrecher thront. Nachdem wir es passiert hatten, waren wir wieder am Anfang. Da wo wir Sea Chantey vor einem Jahr gekauft hatten.

In Rockland gab es nur noch einen einzigen Pier, gleich beim teuren Restaurant auf dem Pier. Leider gehörte der Pier nicht zum Restaurant, aber wir fanden dennoch jemanden, der uns erlaubte zu bleiben. Wir erlaubten uns einen Cocktail. Schon etwas alkoholisiert erlaubten wir uns auch ein Abendessen im teuren Restaurant und eine Flasche Wein. Wir torkelten ganz ordentlich als wir uns ins Bett schleppten, ich hatte am Morgen noch Nachwehen. Erwin, der bei der Firma angestellt ist, der der Pier gehört, luden wir nächsten Tag zum Kaffee ein. Wenn wir Grenada erreichen, sollen wir am Strand links ankern und nach seinem Bruder Richard fragen. Er erzählte uns vom Fischfang in der Karibik und seiner Kindheit, dann war er wieder verschwunden wie nie dagewesen. Wir suchten uns eine Dusche, die wir in einem Gym bekamen. Bei Hamilton Marine kauften wir Kupferschrauben für die Bullaugen und assen ein spätes Mittagessen in der Brauerei. Mit Brad, Sea Chanteys Vorbesitzer, verabredeten wir uns auf Cape Cod, da er dort gerade Ferien machte.

Booth Bay
Schmalspurdampfbahn, Portland

Bei laschem Wind kämpften wir uns nach Südwesten. In Tagesetappen, abends jeweils endend an dem Pier einer Marina, arbeiteten wir uns südwärts. In Booth Bay kam Weihnachtsstimmung auf, weil wir mitten im Stadtzentrum anlegten. Die geschmückten Geschäfte und beleuchteten Strassen erinnerten uns an einen Weihnachtsmarkt. In Portland gingen wir einkaufen und deckten uns mit italienischen Köstlichkeiten ein, denn ein Comestibles war die nächste Einkaufsgelegenheit. In vorbeigehen konnten wir die Schmalspurdampfbahn bewundern, bevor wir wieder die Segel setzten. In Kennebunk fuhren wir im Kanal auf Sand auf, weil die Ebbe aussergewöhnlich tief war. Aber eine Stunde später konnten wir an den Pier einer Marina fahren. Wegen der starken Strömung des auflaufenden Wassers schafften wir es nicht in die Box und kollidierten mit einem Fischerboot. Wir legten also in der benachbarten Marina an und hinterliessen dem Fischer einen Zettel. Doch dieser meldete sich nie. Dafür traf mich am nächsten Morgen fast der Schlag als uns die Marina 3 Dollar je Fuss verrechnete – ein Schnäppchen, da die Kosten im Sommer bei 6 Dollar je Fuss liegen. Ich räusperte mich und zahlte mit Karte. Dafür legten wir einige Stunden später in einer grossen Marina in Portsmouth, New Hampshire an.

Portsmouth Marina

Nun genossen wir meinen Geburtstag: Wir machten einen Spaziergang zur Wehranlage, gingen duschen und assen wunderbar zu Abend. Ich hatte unterwegs Kuchen gebacken, daher hatten wir sogar Dessert. Ein Blick auf die Windvorhersage liess uns entscheiden, dass wir einige Tage bleiben würden.

die Ruine der Wehranlage