Quarantäne-Abenteuer III: Regen

Nach Wochen der stehenden Hitze war schon dieser erfrischende Wind ein echter Segen. Wir hatten uns bis letzte Woche noch immer nicht richtig an dieses Klima gewöhnt und sehnten uns nach dem kalten Norden: Zum Vergleich, wir befinden uns auf dem gleichen Breitengrad wie die Sahara. Nun betrachteten wir aber mittel Woche abends eine dunkelgraue, blitzende Gewitterwolke am nördlichen Himmel. Aber aus der Erfahrung wussten wir, dass diese so schnell verschwinden konnte wie sie aufgetaucht war. Ich schlief wegen des wunderbaren, kühlen Windes in der folgenden Nacht sogar auf dem Deck ohne nass zu werden. Weil das Deck aber etwas unbequem war, erwachte ich früh und machte Kaffee. Während des Frühstücks beobachteten wir dauern diese schwarze Wolke. Der Wind frischte weiter auf. Als wir entschieden die Dachluken zu schliessen, begann es ohne weiter Vorwarnung wie aus Eimern zu schütten! Erst schlossen wir alle Dachluken, dann die Bullaugen, weil das aufprallende Wasser auf dem Deck hereinspritzte, danach steckten wir die hölzerne Tür in den Niedergang. Leider erinnerten wir uns erst dann an das Dinghy. Weil es am Tag vorher abgesoffen war, weil die Schraube im Abfluss nicht mehr dicht war, hatte Reto diese mit einem sehr dichten Holzzapfen ersetzt und es an die Davits gehängt. Wenn der Regen unsere Alianza mit Wasser füllte, bestand die Gefahr, dass die Davits dem Gewicht nicht mehr standhielten und ausrissen! Heldenhaft (wie er sich vielleicht vorkam) zog sich Reto komplett aus, sprang aus der Schiebeluke über das Holztürchen und löste die Halteseile, mit denen das Beiboot an den Davits aufgezogen war. Mein Auftrag war ihm ein trockenes Handtuch zu besorgen – dabei hatte ich andere Probleme! Durch die Sonneneinstrahlung war unser Deck stark ausgetrocknet und nicht mehr dicht. Es tropfte überall in unsere Betten, direkt von der Decke ins WC und in die Küche. Ich kramte also das einzige Badetuch unter der Sitzbank hervor, dass nicht draussen «zum Trocknen» aufgehängt war. Bis dahin war ein pitschnasser, sehr erfrischter Reto wieder in die Kabine geklettert. Er bekam das Handtuch und ich verteilte Schalen, Töpfe und Tücher unter dem tropfenden Deck. Natürlich zu spät, alles war schon nass. Kein Wunder, auf dem Deck stand das Wasser fünf Zentimeter tief. Wir machten es uns an den trockenen stellen bequem und taten, was man an regnerischen Tagen tut: Wir sahen einen Film.

leider sieht man nicht wie tief das Wasser an Deck ist

Bis Baron von Münchhausen die Stadt gerettet hatte, war der Monsun vorbei und das Deck schon wieder trocken. Wir schafften nun alle Tücher zum Trocknen an Deck. Ausserdem pumpten wir unser armes, halb ertrunkenes Dinghy aus. Die Bettdecken mussten aber abends in den Trockner.

Quarantäne-Abenteuer II

Der ganz normale Alltag entwickelt sich in den Bahamas zum Abenteuer. Während im Yamacraw Salomon’s niemand sortiert nach Anfangsbuchstabe des Nachnamens einkaufen muss, wie es der Staat eigentlich verlangt, ist hier strickte Maskentragpflicht. Problematisch für uns, denn wir haben weder einen blassen Schimmer wo wir Masken kaufen können und bestellen können wir keine, denn die Post ist auch in den Bahamas überfordert. Der freundliche Security erlaubte uns aber mit einem T-Shirt umwickelt den Laden zu betreten. 28°C nötigten mich dazu mir Retos verschwitztes T-Shirt um Mund und Nase zu binden, ehe ich das Einkaufszentrum betreten durfte. Entsprechend versuchte ich schnell einzukaufen. Einzige Verbesserung seit dem letzten Einkauf: Alle Kassen waren geöffnet und niemand musste vor einer Kasse Schlange stehen.

Inzwischen hat sich das Bahamische Regiment soweit mit der Kriese auseinandersetzten können, dass auch jemand sich um die armen, gestrandeten Privatboote Gedanken machte. Damit wir gefährlichen Segler das Virus nicht von einer Insel zur nächsten schleppen, mussten wir uns nun registrieren. Wo waren wir seit unserer Einreise und wann? Selbst mit Blog vergessen wir jeweils, wann wir wo waren und wir verfolgten eine gute Stunde all unsere Routen zurück, bis wir einen plausiblen Zeitstrahl erhielten. Nun wissen die bahamischen Behörden, dass wir praktisch während der ganzen Verbreitungszeit des Covid-19 längst bei ihnen waren. Trotzdem herrscht weiterhin Reiseverbot.

Unsere Unterhaltsarbeiten neigen sich dem Ende: Uns gehen die Pinsel aus. Die Namensplatte am Spiegel wird am 20. April vollendet werden. Wir sind sehr positiv überrascht vom Ergebnis, Name, Seilschnitzerei und auch die zwei Sterne schimmern in schönstem Gold mit schwarzem Rand. Reto begann stattdessen mit dem Herausputzen und Reinigen aller Ecken im ganzen Boot. Die Vorpiek (die Segel- und Ankerlast) wurde geputzt und frisch bemalt. Als nächstes hat sich Reto das Heck vorgenommen.

Quarantäne-Abenteuer I

Inzwischen wissen wir sogar an Land nicht mehr genau welcher Tag ist und was wir für eine Datum haben. Aber wir sind zufrieden mit unseren Fortschritten. Die Namenplatte am Heck wurde während der letzten Tage komplett abgeschliffen, die Lettern vorgezeichnet und überlackiert. Nach zwei weiteren Schichten dunklen Klarlack werde ich die Schnitzerei golden anmalen, welche ein Seil darstellt und während sechzig Jahren mindestens fünf unterschiedliche Farben gehabt haben muss. Falls genügend Goldfarbe vorhanden ist werde ich auch Sea Chanteys Namen und Heimathafen in prunkvollem Gold aufmalen, sollte sie nicht genügen wird der Schriftzug vielleicht… grün? Weiss? Wer weiss?

Das Segelcover, an dem Reto seit South Carolina bastelte, wurde in den letzten Tagen fertig und der stolze Kapitän riggte seinen «Flieger». Wir nennen das vorderste, baumlose Segel so, da die korrekte Bezeichnung wohl «Klüverstengevorstagsegel» wäre, was uns entschieden zu lang ist. Wir übernahmen die Bezeichnung «Flyer» von Brad (Sea Chanteys Vorbesitzer), der es «fliegend» nannte, weil es nirgends an Holzangeschlagen ist. Wir montierten gemeinsam das Cover auf dem Segel und waren erstaunt, wie gut es passte. Retos erstes Segelcover passt. Respekt bitte!

Auch ich hatte Premiere: Ich zerlegte zum ersten Mal einen Fisch. Bei einigen Fischern kauften wir eine kleine Grouper, ein Karpfenförmiger Raubfisch mit roten Augen und Stacheln an den Rücken- und Bauchflossen. Unsere war «nur» zirka 50 cm lang. Sie hätte gerade in den Backofen gepasst, weshalb ich ihr den Bauch aufschnitt, um die Eingeweide zu entfernen. Derweil guckte Reto Youtube-Filme zum filetieren von Grouper, weshalb ich auch dies zu versuchen hatte. Filet lässt sich einfacher zubereiten und essen. Hinter der seitlichen Flosse wird der Fisch eingeschnitten und dann das Filet vom Rücken herabgetrennt. Eigentlich einfach, nur wäre es einfacher gewesen, wenn ich nicht zuvor den Bauch geleert hätte. Man lernt eben aus Fehlern.

Ich musste noch etwas aus Fehlern lernen: Ernte nie Kokosnüsse ohne Schutzhelm und Stahlkappenschuhe!! Als ich mit dem Bootshaken einige Nüsse von der Palme holte, stellte ich fest, wie gut ich sie schon vom Baum lösen konnte. Gleich darauf stellte ich fest, wie schmerzhaft es ist, wenn so eine Kokosnuss einen Zeh trifft. Volltreffer! Der Schmerz ist unglaublich, selbst für einen Schriftstellerin unbeschreiblich! Als würde man mit eiskalten, durchgefrorenen Füssen in eine Bowlingkugel treten (oder so stelle ich mir die Bowlingkugel vor). Die nächsten drei Tage verfärbte sich mein Zeh vorlaufend von rot-violett und geschwollen nach dunkelviolett nach blau, wobei sich ein lustiger Streifen quer über meinen Zeh legte. Nach dem blauen Zebra-Look färbte er sich wieder normal und schmerzt fast nicht mehr. Aber nach der Erfahrung mit dem Zeh, erspare ich mir die mit dem Kopf!!

Das Internet der Palm Cay Marina geht uns bisweilen auf die Nerven, daher muss ich auch diesmal einen Nachliefertermin für die Fotos anmelden.

Solange man noch kann

Wir ankerten in einer Bucht am Nordwestende von New Providence, das schon beinahe komplett von der Stadt Nassau überwachsen ist. Wir hatten hier wieder Radioempfang und wussten daher, was der Premierminister der Bahamas bezüglich des Coronavirus COVID-19 zu tun gedenkt. Ausgangssperre für die ganze Bevölkerung und der Verkehr zwischen den Inseln wird komplett untersagt. In Kraft treten sollte alles am morgigen 24. März und mindestens bis Ende Monat andauern. Vorerst nahmen wir die Informationen locker, denn was dies für private Boote bedeutete, war noch nicht klar. Doch wir entschieden uns am Folgetag sofort in eine Marina zu begeben, um uns im Internet informieren zu können.

Am Dienstag, 24. März fuhren wir deshalb um das westliche Ende der Insel, um von Süden die Palm Cay Marina erreichen zu können. Noch hatten wir normal einchecken können, nachdem wir am frühen Abend angekommen waren. Nur alle Restaurants und Lieferdienste waren geschlossen, weshalb wir uns an meinem beliebten «Falschen Seehund» erfreuten. Richard informierte sich schon seit der Ankunft auf New Providence regelmässig beim Flughafen, ob sein Flug nach New York den fliegen würde. Die Flüge von Nassau aus wurden reihenweise gestrichen, nach New York zu kommen wurde sogar besonders kritisch. Richard liess sich daher auf einen Flug nach Atlanta umbuchen und beschloss den erstbesten Flug zu nehmen, der flog. Die bedeutete für Reto und mich, dass wir am 25. noch mit Richard im Café (das erstaunlicherweise geöffnet hatte) frühstückten, bevor unser Freund zusammenpackte und sich auf den Flughafen fahren liess. Reto und ich wetteten, ob der Flug ging oder ob uns Richard noch eine Weile erhalten blieb. Ich verlor, denn abends erhielten wir ein SMS das Richard in Atlanta angekommen war und offensichtlich sogar auf New York weiterfliegen konnte, von wo aus eine Swiss-Maschine ihn nach Hause bringen würde. Ein, zwei Tage später erhielten wir ein weiteres SMS: Richard darf noch nicht zur Arbeit, weil er Quarantäne aufgebrummt bekommen hatte. Wir hatten derweil unsere eigenen Corona-Erlebnisse: Als ich das erste Mal einkaufen ging, wurden die Personen Portionenweise in den Laden gelassen, doch standen alle in einem riesigen Haufen vor der Tür. Beim nächsten Einkauf (unser Glacé-Verbrauch stieg proportional an) hatte ich schon in einer geordneten Linie anzustehen, in der Personen auf Markierungen mit je zwei Metern Abstand zueinander Schlange zu stehen hatten. Die Schlange reichte um das halbe Gebäude. Seither habe ich mir das Einkaufen gespart, denn bis ich unser Boot wieder erreichte, wollte Reto schon eine Vermisstenanzeige für mich aufgeben. Da wir uns für eine Woche eingemietet hatten, um die Corona-Entwicklungen zu beobachten, bemerkten wir unterschiedlichste Veränderungen. Das Restaurant hat inzwischen einen Take-Away eingerichtet. Die Pools des nahen Resort sind alle gesperrt, aber der private Stand wir von Marina- und Resortgästen rege genutzt. Das Café öffnet dafür inzwischen nicht mehr. Inzwischen wurde die Quarantäne bis am 8. April verlängert und private Boote dürfen sich zwischen den Inseln nicht mehr bewegen. Wir sitzen fest.

Was auch seine Vorteile hat: Der Blog ist einmal wieder auf dem neusten Stand. Reto hat sein Segelcover fertiggestellt. Ich kann meine Steuererklärung ausfüllen und endlich einmal wieder an meinem zweiten Buch arbeiten. Von unserem Bootsnachbar haben wir gelernt, wie man Kokosnüsse aufschneidet, um an das Kokoswasser zu kommen. Dieses neue Wissen bekommen nun die Kokosnüsse zu spüren, die an den Palmen der Marina wachsen. Ausserdem schlossen wir Freundschaft mit dem Streuner, der in der Marina lebt. Sie ist ein kniehohes, braunes Hundeweibchen, dass nie bellt und alle Gäste mit ihrer liebenswerten Art erfreut.