«Es ist Wahljahr in den Bahamas, die Politiker wollen sich mit ihren Leuten gut stellen», erklärte uns Gal im Pink Octopus. Seit dem letzten Lockdown im letzten August hatten er und sein Sous-Chef Wally das Restaurant am Strand der Palm Cay Marina nicht mehr schliessen müssen und hatte dauernd volles Haus – wie fast alle Läden. Wer wieder gewählt werden will, kann sich nicht leisten sein Land dicht zu machen. Die Touristen kommen und Nassau blüht wieder. Entsprechend trafen wir weder die kleine Skyler noch Wallys fünf Kinder – sie mussten wieder zur Schule und ihr Väter hatten im Restaurant sowieso keine Zeit für sie. Der Strassenhund, den wir Scooby nannten, war nicht mehr in der Marina, daher hatten wir auch keine weiteren Gründe lange zu bleiben. Wir ankerten bald vor Athol Island im Norden des Nassau Harbor. Mit unserem Bahamischen Daten-Abonnement konnten wir auch von hier aus ein Visum für Gwendolyn beantragen. Wer weiss, warum ich so sicher war, dass ein Baby kein Visum braucht. Wer weiss, warum Reto es nicht nachkontrolliert hatte. Auf jeden Fall lag ich falsch! Ich beantragte ein Visum und ärgerte mich, dass ein Kleinkind, das nicht sprechen kann, einen Interviewtermin braucht. Was wollten die Konsularen Gwendolyn fragen? Ob sie einen Terroranschlag auf den Präsidenten plante? Ob das Konsulat mit der Antwort zu frieden wäre: «Aga brrrpf»? Aber richtig genervt habe ich mich, als Gwendolyn einen Termin im August bekam. Auch einen Notfalltermin bekamen wir «aufgrund der Covid-19 Situation» nicht. Also entschieden wir, dass Gwendolyn und ich von Bimini aus Fliegen werden und Reto unser Boot alleine über den Golfstrom bringt.

Vorerst dockten wir aber in der Nassau Harbor Club Marina. Die Tropicool Familiy, der Deutsche und die Französin-Kanadierein mit den zwei knallblonden, gelockten Kindern, die wir vor einem Jahr kennengelernt hatten, hatten hier ihren Leoparden geparkt… ähm, ihren Katamaran Leopard 40. Frank hatte letztes Jahr keine Probleme mit dem Boot mit seinem ESTA einzureisen, aber wir wollten das Risiko trotzdem nicht eingehen. Ava und Karl, die Kinder mit den Engelslocken erkannten uns natürlich nicht wieder, obwohl wir eine Woche lang mit ihnen im Pool gespielt, sie auf Sea Chantey Piraten gespielt und ich ihnen Schildkröten gebacken hatte. Dafür bekamen wir Karli’s superleichten, winzig zusammenfaltbaren Kinderwagen für Gwenny. (Ob wir den wohl je benutzen?) Sie hatten sich für drei Tage im luxuriösen Atlantis-Resort eingemietet um Avas siebten Geburtstag in Wasserpark verbringen zu können, daher hatten wir ein Auge auf den Leoparden mit Namen Tropicool. Nach einigen Ausflügen zu Booten, die Richtung Karibik oder Europa fahren würden, verabschiedete sich Dylan. Er fuhr mit der Fähre nach Eleuthra, wo er sich mit einem Kumpel treffen würde. Langweilig wurde es deshalb nicht, den schon am nächsten Tag kam ein uns wohlbekanntes Schiff an unser Dock. Es handelte sich um ein Tauchboot mit grossen Kabinenaufbau, zwei Masten und vielen Hobbytauchern an Bord – das Schiff, welches uns unterwegs nach Shroud Cay entgegen kam. «Beacon Won»’s Kapitän Bruce entpuppte sich als Neufundländer und hatte sein Schiff selbst gebaut – ein Holzboot. Natürlich musste er Sea Chantey sehen und brachte gleich die halbe Crew mit. Danach waren wir um eine angebrochenen Flasche Whiskey ärmer, dafür reicher an Freundschaften. Wir leerten Tags darauf «Beacon Won»’s Kaffeekanne und bekamen eine Führung durch das fast komplett von Bruce gebaute Holzschiff. Wir staunten – mitunter über das Gebastel an Bord! Baumaschinenmotoren von Caterpillar trieben das Tauchboot mit 36 Gästekojen, acht Crewkojen und einer Captain’s Cabin (wo alle paar Wochen auch Frau Kapitän unterkam). Voll beladen musste der Vier-Flammen-Gasherd also 46 Leute verpflegen, was bedeutete, dass in zwei Schichten gegessen wird, weil sonst der Speiseraum zu klein ist. Kiloweise Fleisch lagert im Generatorgetriebenen Tiefkühler. Zwei Eismaschienen produzieren täglich 20 Kilo Eiswürfel. Sogar der Wassermacher war selbstgebaut. Wir staunten! Am allermeisten als Crew und Käpt’n uns erzählten, wie Ava und Karli im letzten Jahr in ihrem Rigg herumturnten und ins Wasser sprangen. Wir versprachen den Tropicools Grüsse auszurichten. Die Zeit reichte gerade noch, damit Reto in der Takelage herumturnen konnte, ehe Beacon Won wieder mit tauchwütigen Touristen überströmt wurde. Nachdem bei allen 30 Personen Fieber gemessen war, das Health Visa der Bahamas kontrolliert und Gepäck an Bord geladen war, stach das ganz besondere Tauchboot in See. Nur wenige Stunden später waren die Tropicools enttäuscht Beacon Won verpasst zu haben.
