Richtig übles Heimweh, bekam ich während des Wochenendes, an dem wir warteten, dass sich unser Boot vollsaugt. Wir machten uns einen gemütlichen Samstag, gingen Bier kaufen und wollten im Restaurant essen gehen. Da das überall gelobte Fish&Slips unser zweites zu Hause war, wollten wir dem «Biergarten» eine Chance geben. Ein deutsches Ehepaar betreibt ein nicht zu kleines, deutsches Restaurant mit Schwarzwaldstiel, bayrischen Farben und Oktoberfest-feeling mitten im Downtown Portsmouth. Die Bierkarte ist so lang wie Sea Chantey und wir genossen jeder eine deutsche Biersorte. Bei «Strammer Max» – Fleischkäse mit Spiegelei – kamen mir fast die Tränen! Da sie ein originelles Lokal sind, hat der Biergarten nicht nur T-Shirts sondern ein richtiges kleines Spezialitätengeschäft, mit Milka, Knorr, Drindl-Kostümen und gebrauchten DEUTSCHEN BÜCHERN! Als ich das Werk «Die Zuckerbäckerin» aus dem Regal zog, wurde ich nicht nur einen Dollar ärmer, sondernd bekam furchtbare Sehnsucht nach meinem Mami, mit der ich zu Hause gleich eines der Rezepte im Roman ausprobiert hätte. Zumal Bier auch sensibel macht, quälte mich die ganze Nacht das Heimweh.
Auch am Sonntag musste ich nicht abwaschen, der Pizzalieferdienst wurde aber zum echten Abenteuer. Nämlich bestellten wir übers Internet und gaben an auf dem Parkplatz zu warten, wo ich nach der Hälfte der als zu erwartenden Lieferzeit angegebenen Zeit auch stand. Dort verliess gerade ein Bootsbesitzer den Parkplatz: Ob ich einen Pizza-Burschen suche? Ich hatte unser Abendessen um eine Minute verpasst. Mist! Reto holen, Uber bestellen, zum Pizza Hut fahren – unsere Pizza war sogar noch warm, als wir sie abholten. Zu Hause auf Sea Chantey genossen wir sie in jedem Bissen, zwei hervorragende, hart verdiente Pizzen.
Am Montag, zwei Wochen nachdem wir in die Werft kamen, stellte unser eifriger Schiffszimmermann den Motor auf die Propellerwelle ein. Wir machten eine Testfahrt und alle waren mit der erledigten Arbeit gleichermassen zufrieden. Nur Werftbesitzer Mike hätte seinen Schiffszimmermann am liebsten sofort zurückgehabt, den auf Richard wartete schon die nächste Arbeit. So hatten wir einen halben Tag Zeit um das Feierabendbier bereitzustellen. Gegen fünf Uhr bekamen wir auch tatsächlich drei Besucher: Richard, unser Schiffszimmermann, Charlie, der Sea Chanteys Bolzen aus dem Rumpf schlagen musste, und sehr zu Retos Freude Kate, unsere hübsche Rezeptionistin. Auch in den USA sind die Alkohol-Autofahren-Verhältnisse streng, weshalb sich unsere Besucher nach einem Bier auf den Heimweg und wir auf zur Tidewater Marina machten. Reto, eben ein waschechter Seemann, musste sich von noch einem hübschen Frauenzimmer verabschieden, weshalb wir diesmal im Fish&Slips zu Abend assen. Wir sassen an der Bar und plauderten bald mit dem angetrunkenen Trevor und seiner Bootsnachbarin. Trevor brauchte Gesellschaft, weil er gerade eine Trennung hinter sich hatte, und erzählte uns von seinen Abenteuern als Krabbenfischer in Alaska und Segler im Bermuda-Dreieck. Lustigerweise war es aber seine gut gelaunte Bootsnachbarin, die mir erklärte, wie ich meine Krabbenbeine knacken musste. Schliesslich kam auch die Schankmaid Ashley dazu uns zu erzählen, weshalb sie nun gebrochene Finger hatte – sie wollte nach links, aber ihr Hund nach rechts… Wir waren wieder einmal die Gäste mit dem dicksten Sitzleder und verliessen die Bar kurz vor Ladenschluss.