Proviant für die Bahamas

Nachdem wir unsere Filter auf Merritt Island abgeholt hatten und das Auto retourniert hatten, begaben wir uns nach Süden. In drei Tagen arbeiteten wir uns nach Vero Beach vor. Hier buchten wir eine Mooring in der vollkommen überfüllten Marina, denn wir teilten uns die Mooring mit einem weiteren Boot. Reto fand daran sehr gefallen, denn so hatte er jemanden dem er die Ohren «zuschnorren» konnte. Gelegentlich geniesse ich es nämlich für mich zu sein. An diesem Abend genossen wir auch ein besonderes Spektakel. Eine Versorgungsrakete für die ISS Raumstation konnte zwei Wochen zuvor nicht starten, weshalb sie um Mitternacht in den Himmel geschickt wurde. Da wir aber schon einige Distanz zwischen uns und dem Space Center gebracht hatten, sah die Rakete aus wie ein Feuerwerkskörper von der langweiligen Sorte: Ein leuchtender Streifen der sich in einem Bogen nach Osten bewegte und sich dann in drei leuchtende Punkte teilte. Ein andermal sehen wir uns den Start von nahem an, dachte ich.

Mit dem Bus machten wir einen Ausflug zum Wochenmarkt, bevor wir uns an den Grosseinkauf machten. Reto kaufte bei Westmarine die benötigten Karten, einen Anker fürs Dinghy und dieverses Bootszubehör, während ich bei Publix schon den ersten Einkaufswagen füllte. Dosen stapelten sich, Süssgetränke und Trinkwassermussten auf einen zusätzlichen Wagen verteilt werden und Teigwaren kauften wir Kiloweise. Ich wollte ursprünglich 20 kg Mehl einkaufen, aber ich musste mich mit 17.5 kg zufriedengeben, weil das Regal leer wurde. Frische Lebensmittel kauften wir nur sehr beschränkt: Zwiebeln, Kartoffeln, Kürbis, Bananen, Äpfel und Zitronen. (Bananen und Äpfel mussten wir schon wenige Tage später aufgebraucht haben, weil die grünen Bananen zu schnell reif wurden und die Äpfel leider Druckstellen bekamen.) Über die Unmengen an Nutella und Nescafé, die wir verbrauchen, schmunzelte ich sehr, weil sie sehr viel Platz in den Einkaufswagen ausfüllten. Drei Duzend Eier und ein bisschen Käse komplettierten einen Einkauf über 500 Dollar. Der Einfachheit halber liessen wir uns von Uber zurückfahren. Unser Fahrer Maurice vermochte unsere Einkäufe fast nicht in seinem mittelgrossen Auto zu verstauen. Natürlich mussten wir ihm erklären was für eine Armee wir hier verproviantierten und wir staunten nicht schlecht, als er uns seinen Schweizer Pass zeigte. Seine Mutter war Schweizerin, er aber in den USA aufgewachsen. Dennoch hatte er mit seiner Familie einige Jahre in der Schweiz gelebt. Wir staunten noch mehr als er sagte, dass seine zwei Jungs im Sommer in die Schweiz reisen um den Miltärdienst zu absolvieren. Er meinte, es sei ihr Abnabelungsprozess. Maurice half uns sein Auto zu ent- und Alianza zu beladen. Wir plauderten noch eine Weile, während Reto die Einkäufe auf Sea Chantey brachte. Wir hätten ihm gerne unser Boot gezeigt, aber die Zeit rief und tauschten Instagram Kontaktdaten aus. Nun gab ich Reto bei unseren Nachbaren ab, denn Proviant verstauen ist als Smutje meine Aufgabe.

Doppelbrücke

Verproviantiert machten wir uns auf den Weg nach West Palm Beach, von wo aus wir den Golfstrom überqueren wollten. Wir durchquerten unzählige Klappbrücken in dem vermutlich bewohntesten Teil des Intracoastal Waterways. Die Villen türmten sich links und rechts von Kanal schier übereinander und eine Unmenge von Booten war anzutreffen. Niemandem konnte es schnell genug gehen, kleine Boote flitzen im Kanal hin und her, während die Bugwellen von Mega-Sportjachten unsere Sea Chantey schüttelten. Da die Amerikaner ihre Boote gelegentlich bis öfters auch nicht zu beherrschen wissen, erlebten wir zwei Beinahe-Unfälle: Ein Boot fährt zu nahe an die Klappbrücke heran,weil er der Erste sein will, der hindurch kann, diese öffnet aber nicht schnell genug und die Strömung zieht das Boot unter die Brücke, wobei der Mast mit der Brücke kollidieren würde. Dann musste das ungeduldige Boot rückwärts gegen die Strömung kämpfen, was zu sehr akrobatischen Manövern führte. Wir versuchten uns nicht nerven zu lassen und hielten Abstand. Und obwohl wir Klappbrücken lustig finden, waren wir froh, als wir in die Lagune von West Palm Beach einfuhren, wo es keine Klappbrücken mehr gab. Wir verbrachten einen Tag auf einer kleinen Insel, die Naturschutzgebiet ist und deshalb fast einsam war. Mein Highlight war eine Meeresschildkröte, die sich mir zeigte sich aber vor Reto versteckte.

Mit Atlantis zu den Sternen

Zwei gute Gründe um ein Auto zu mieten, sind: Ersatzteile besorgen und zum Space Center fahren. Deshalb mieteten wir am 4. März eine rote Hyundai-Limousine und trugen mich als Fahrerin ein. Wir fuhren einen kleinen Umweg durch das verwirrende Strassennetz, fanden dann aber die richtige Brücke nach Cape Canaveral. Fast direkt von der Autobahn biegt man auf die Zufahrt zum schier endlosen Parkplatz des NASA Visitor Center. Wir parkten in Feld 5 von mindestens 20 und schluckten beim Gedanken, dass dieser Parkplatz im Sommer immer voll war. Durch den Ticketautomaten und die Sicherheitskontrolle gelangten wir rasch in das Visitor Center, das fast einem Vergnügungspark nahe kommt und sich mit den Eintrittsgeldern selbst finanziert. Es war ein heisser Tag, doch in den Gebäuden brauchte ich eine Jacke. Die Ausstellung zum Naturschutzgebiet, welches sich als Pufferzone rund um das NASA Areal erstreckt, hatten wir bald gesehen, worauf wir uns einer Führung durch den «Raketengarten» anschlossen. Hier sind bis auf eine einzige, nur die Originale der Raketen aus den vergangen Space Programmen ausgestellt – eine angeblich sogar funktionstüchtig. Reto verschaffte uns wieder einmal eine Privatführung, weshalb wir von einem Parkangestellten die Funktion eines Raketentriebwerks erklärt bekamen. Das dieses von seinem Treibstoff gekühlt und vor dem Schmelzen bewahrt wird, empfanden wir als genial.

Nach einem frühen Mittagessen stürzten wir uns in die Marsexpedition. Diese war besonders auf die noch ungelösten Probleme einer Reise zum Mars ausgelegt. Mit einer aufwändigen Videopräsentation und diversen Spielen warb die Ausstellung um die zukünftigen NASA Mitarbeiter. Ziel der Ausstellung war es den Nachwuchs der Raumfahrt zu sichern und den potentiellen Ingenieuren und Weltraumforschern gleichzeitig eine Idee zu geben, auf welche sie hinarbeiten könnten um am Marsprojekt mitwirken zu können. Reto und ich erfreuten uns aber fast mehr an den Videospielen als die Kinder, den diese waren durchaus anspruchsvoll. Dennoch setzte Reto den Tages-Highscore im Andocken an eine Raumstation, während ich eine ganz ordentliche Mondlandung zuwege leitete. Danach dachte ich, das Space Center gesehen zu haben, aber Reto führte mich in ein weiteres Gebäude mit einer Lichtjahre-langen Schlange. Ich war drauf und dran wieder zu gehen, als sich die Tore der Ausstellung öffneten und die ganze Schlange samt uns in einen Kinosaal verschwand. Uns wurde ein Einführungsfilm über die Entwicklung eines Space Shuttles gezeigt, dann wurden wir in einen weiteren Kinosaal geführt. Hier zeigte man uns einen Film über die Schaffenszeit des Space Shuttles Atlantis. An dessen Ende wurde Leinwand durchsichtig und gab den Blick auf das echte Space Shuttle frei. Einen Moment liess die Inszenierung die Zuschauer staunen. Gerade als ich mich fragte, ob wir Atlantis nur vom Nebenraum aus betrachten durften, wurde die Leinwand wie ein Rollladen hinaufgezogen. Die entzückte Zuschauerschaft schritt dem Space Shuttle in den riesigen Ausstellungssaal entgegen. Ich konnte mich kaum satt sehen und las fast alle Hinweistafeln. Die Spiele in dieser Ausstellung funktionierten leider nicht richtig, dafür konnten die Besucher über eine Rutschbahn ins Parterre gleiten, wie bei einer Shuttle-Landung. Im Parterre spielten wir «Lande das Shuttle» und betrachteten die Ausstellungen, bevor wir uns durch den Shop nach draussen kämpften. Durch einen weiteren Shop wollten wir den Glace-Stand erreichen, doch Reto blieb stehen: Autogramm von einem Astronauten, stand auf dem Schild, heute: Heidemarie Stefanyshyn-Piper. Türöffnung war erst in einer Stunde, weshalb wir die Zeit totschlagen wollten. Nach dem Glace machte ich einige Schritte auf den Piezofeldern, die zu Planeten angeordnet auf dem Boden angebracht waren. Immer nach einer gewissen Anzahl schritte, ertönte durch alle Lautsprecher die Geräuschkulisse eines Raketenstarts, ich freute mich vor allem über eine gute Begründung mit ein wenig zu bewegen. Weil es so heiss war, verzogen wir uns bald in ein Gebäude, in dem wir einen Kinosaal fanden. Dank des Films über die Apollomissionen vergassen wir die Zeit. Als ich vor der Wartelinie des Autogrammraums ankam, stand dort schon ein Schild: Autogramm eines Astronauten Geschlossen. Ein kleines bisschen enttäuschte es mich, kein Autogramm mit der Aufschrift «Für Stefanie von Stefanyshyn-Piper» mit nach Hause zu nehmen, aber Reto schien es sehr leid zu tun, denn er hatte uns in den Film gelotst. Meiner Meinung nach war es dennoch ein super Ausflug gewesen. So super, dass wir vergassen unsere Ersatzteile in der Ortschaft Merritt Island zu holen.