Geschichten aus Charleston

Wieder einmal sind wir ohne Rettungsinsel unterwegs. Um Sea Chantey in der Schweiz wieder einlösen zu können, muss diese kontrolliert werden. Nach Stundenlangem googlen fand Reto einen Händler in Charleston, der solche Kontrollen eigentlich machen sollte – dieser hier wollte aber lieber eine neue Rettungsinsel verkaufen. Jedoch bekamen wir die Adresse einer Servicestelle und entschieden uns unsere Rettungsinsel nach Secaucas vorauszuschicken. Den Ditch Bag, der Wasser, Nahrungsmittel und Leuchtraketen enthält kontrollierten wir selbst, die Leuchtraketen gilt es noch zu ersetzten. Mit der Rettungsinsel liessen wir uns per Uber zu einem UPS Store bringen. Die Rettungsinsel nach Secaucas zu schicken, war übrigens günstiger als jedes einzelne Packet, dass ich schon über den Atlantik schickte.

Mhhh… Glacé-Sandwich!!!

Zumal wir schon in der Stadt waren, genossen wir sie auch. Zmittag beim Chinesen, Glacé bei Peace Pie und Kaffee im möchte-gern-französichen Café (das Praliné, welches ich für Reto kaufte, war teuer aber zumindest lecker). Wir streunten durch die Kunstausstellung im Park, spazierten entlang dem historischen Dock und wurden in einer Galerie zum Wine-Tasting eingeladen. Reto genoss den Wein, Gwendolyn übte auf dem Teppich kriechen und bekam tausend Komplimente, während ich die Kunst betrachtete. Besonders gefiel mir der Fisch im Martiniglas: Schichtweise wurde Acrylglas ins Martiniglas geschüttet und jede Schicht bemalt. Von oben war der Fisch dreidimensional zu sehen, von der Seite unsichtbar – ich fand es grandios! (Und ich kopiere es vielleicht irgendwann…) Vor lauter Wein, Kunst und Gesellschaft verpassten wir prompt das Wassertaxi, welches uns hätte zur Marina zurückbringen können. Zu allem Überfluss braute sich am Himmel eine grosse, dramatische, schwarze Wolke zusammen. Kaum hatten wir uns bei einem Hotel untergestellt, prasselte der Regen herunter wie aus der Duschbrause. Unser Uber Fahrer fackelte nicht lange – Mann rein, Kind rein, Kinderwagen rein, Frau rein – abfahren. Von trockenen Auto sitzen aus sahen wir zu wie der Himmel Kübelweise Wasser auf Charleston herabschüttete. Die Strassen waren innert Minuten überschwemmt. Auch das Aussteige-Manöver wurde minuziös geplant: Reto und Gwendolyn voraus, ich hinterher und unser Fahrer brachte uns den Kinderwagen unter den Eingang des Restaurants Fishhouse, welches zum Resort gehörte. Wir assen noch einmal auswärts bis der Regen vorübergezogen war.

Waschen, Trocknen, Putzen, Windeln und andere Produkte einkaufen, sowie Unterhalt an Sea Chantey erledigten wir in den nächsten Tagen. Windeln kaufe ich prinzipiell bei Walmart, wie auch Feuchttücher. Obwohl alle davon schwärmen, bin ich kein Fan von Pampers. Erst recht nicht mehr seit ich gemerkt habe, dass Gwendolyns Windelbereich von den Pampers Feuchttüchern wund wird. Sie scheint das Vitamin C, welches zum Haltbar machen verwendet wird, nicht zu vertragen – aber Walmarts Billigstline ist für ihre Haut kein Problem. Auch Walmarts Windelsortiment sagt mir sehr zu, manchmal kann ich sogar die gleichen Windeln kaufen, die ich in der Migros kaufe. Einziger Minuspunkt ist, dass Walmart Super Center etwas dünner gestreut sind als Publix. Ein netter Herr brachte mich in seinem Pick-Up zur Marina zurück und half mir sogar meine Bagage zum Schiff zu tragen.

Wenn ich einmal den Rücken freigehalten brauchte, schnappte sich Reto unser zahnendes Baby. Meistens führte sein Weg ihn zum Pool, wo er und Gwendolyn im Hot Tub mit dem kleinen Plastik-Raddampfer spielten. Einmal ging er sich den Zerstörer ansehen, der gegenüber des Flugzeugträgers USS Yorktown am Museumsdock gleich neben der Marina festgemacht ist. Gwendolyn schlief ein bevor sie ganz an Bord waren.

Einmal durften wir auch nur zum Spass in die Stadt. Wir fuhren mit dem Wassertaxi über den Hafen und schaukelten am Taxi-Dock auf den Schaukelbänken. Gwendolyn und ich planschten in beiden Brunnen des Waterfront Park, bevor wir Empanadas zu Mittag assen. Ein Glacé, ein Spaziergang und eine Fahrt im Wassertaxi zurück nach Hause rundeten den Tag ab. Eigetlich hätten wir dann am nächsten Tag gleich weitergewollt, aber wir schliefen so schlecht, dass wir noch einen Tag blieben. Wir unternahmen mit dem Ausflugsschiff «Spirit of South Carolina» eine Tour nach Fort Sumpter mitten im Hafen. Es war einst riesig, erzählten die Tafeln entlang der Mauerreste, bevor es im Civil War kurz und klein geschossen wurde und die Reste im Zweiten Weltkrieg mit Sand aufgefüllt. Heute buddeln Ranger das Fort stück für Stück wieder aus. Wir waren wieder einmal sehr glücklich über unseren Ultraleicht-Kinderwagen, den wir überall tragen können, denn das Fort ist nicht besonders rollstuhlgängig. Nach viel zu kurzen zwei Stunden wurden alle Gäste wieder auf das Ausflugsschiff verfrachtet und zurück an Land gebracht. Am Nachmittag kam noch der Rest unserer Post und Rahel brachte Reto Dichtungsmittel. Sie ist Bootsbaulehrerin für Holzboote in einer winzigen Bootswerkstatt und erzählte uns von ihrem geliebten Holzboot. Woher wir sie denn kennen? Florent hatte sie Tage zuvor angequatscht.

Geocaching in St. Augustine

Nach einem halben Tag unter wackeligen Segeln bei böigem Wind erreichten wir St. Augustine. Wir hatten die Ortschaft, die uns so sehr an Südfrankreich erinnerte, liebgewonnen und mieteten für ein paar Tage eine Mooringboje. Weil wir erst gegen Abend in die Stadt gingen, war Bouviers Kartenladen leider schon geschlossen, dafür warfen wir einen Blick in die Galerie nebenan. Mir gefiel besonders ein Bild an dem der Künstler jedes Wochenende noch arbeitete, aber ich kann gleich klären, dass ich dreimal in der Galerie war und ihn immer verpasste. Mit Gwendolyn im Ultraleicht-Kinderwagen wanderten wir zuerst durch die älteste Strasse in Florida und dann durch das Touristenviertel. Wir hätten gerne an einer Führung durch das Flagler Collage mit seiner spannenden, aufwendigen Architektur teilgenommen, aber wegen Covid wurden nur Führungen für künftige Studenten durchgeführt. Ansonsten merkt man von Covid nicht mehr viel. Das Servicepersonal muss Schutzmasken tragen und in manchen Geschäften müssen auch die Kunden eine aussetzten. In Retos geliebter Sangria Bar, in der wir in vier Tagen drei Mal Halt machen, trug nicht mal das Personal Maske. Als wir entschieden auswärts zu essen ging die Sucherei los – finde ein Restaurant mit mehr als einem vegetarischen Gericht in den USA! Wir streunten einmal quer durch die Altstadt ehe wir in einem Seafood Restaurant einkehrten und Chloé und Florent Beyond Meet (Bohnen) Burger bestellten.

Chloé und Gwendolyn im Pub

Nach der Wäsche schafften es Reto, Gwendolyn im Kinderwagen und ich zu Bouvier in den Kartenladen. Er freute sich riesig, besonders als er Klein-Gwendolynchen kennenlernte. Er genoss es seine Arbeitszeit mit dem Baby zu verblödeln, während wir seine Schätze freilegten. Wenn ich ein bisschen Geld übrig gehabt hätte, hätte ich vermutlich eine Karte der Karibik gekauft. Aber wie zu Beginn erwartet geht unser Geld gegen Ende der Reise zur Neige. Und das Ende der Reise naht. Wer denkt wir während ohne Karten gegangen, kennt Bouvier nicht. Er geniesst es Leute wie uns in seinem Laden zu haben, die drei oder vier Stunden alte Karten anhimmeln können. Statt Karibik von 1729 nahm ich also Bouviers Geschenk mit: Schweiz 1890. Dazu ein bisschen Lesestoff für Reto.  Leider wollte er nicht mit uns Eis essen kommen. Ich habe eine neue Lieblingseisdiele – Peace Pie, mit Ablegern in drei Orten. Sie verkaufen Glacé-Sandwich: Ein grosses Guetsli, dann eine Kugel Glacé, eine Lage Kuchenfüllung wie Ganache, Erdnussbutter, Caramel oder ähnlich und zum Abschluss noch ein Keks, wie zu beginn. Ja, man braucht am Ende eine Serviette, aber ich liebe Icecream Sandwich. Dann gingen wir auf Schatzsuche. Chloé wusste von einem Geocache gleich beim Spanischen Fort. Sie lotste uns zu einem steinernen Ofen, der vor Jahrhunderten dazu benutzt worden war um Kanonenkugeln zum Glühen zu bringen, damit sie die angreifenden Schiffe in brand setzten. Aber wir fanden den Cache nicht! Wir kletterten hinein, darauf, Gruben im Sand, prüften die Löcher in den Wänden, aber wir fanden den Cache nicht! Schliesslich lud ich die App zum Geocaching herunter und prüfte den Ort – und fand heraus, dass es sich um einen virtuellen Schatz handelte. Der Schatz war der Ort! Der Aha-Effekt war gross.

Ich sitze auf dem Geocache

Chloé und Florent sind noch etwas knapper bei Kasse als wir, daher erklärte ich ihnen den Herd. Reto und ich erlaubten uns noch einmal auswärts zu gehen, während die beiden sich auf Sea Chantey selber etwas zusammenkochten. Essen mit Vegetariern war spannend. Gefälschter Käse, gefälschte Wurst, Hamburger und Hackfleisch aus Bohnen. Wir waren interessanter- und unerwarteterweise positiv überrascht. Im grossen und ganzen mochten wir nämlich, was die beiden zusammenkochten und so überliessen wir ihnen die Kombüse fast generell. Aber an diesem Abend hatten wir Sheperds Pie im Irish Pub. Wir sassen auf der Veranda und konnten durch das Fenster die Live-Musik von hinten betrachten. Gwendolyn hatte einen sehr aktiven Abend, schon nach kürzester Zeit verzauberte sie die älteren Damen direkt vor dem Musiker und machten bald kindische Winke-Spiele. Irgendwann fragte der Musiker, ein nicht unbekannter Country-Sänger, was sie denn trieben und wurde auf «the super-cute baby behind you» aufmerksam gemacht. Gwendolyn und damit auch ich wurden auf die Bühne gebeten und unsere kleine «Sugarplum» (was ich als «Zuckerzwetschge» übersetze) bekam einen Song gewidmet und einen immensen Applaus – nur fürs herzig sein!

Auch die Wäsche musste gemacht werden und Chloé und ich verbrachten den halben Vormittag in der Wäscherei, ehe wir nasse Wäsche auf dem Schiff aufhängten, weil ALLE Trockner besetzt waren. Jedenfalls suchten wir am Nachmittag noch einen Geocache. Im Garten eines 300-jährigen Hauses, das heute ein Bed&Breakfast ist, suchten wir zwanzig Minuten, ehe ich die Box unter der Veranda fand. Wir nahem nichts und hinterliessen nur unsere Namen.

Beim dritten Besuch in Bouviers Laden blieb ich erneut vor diesem Bild mit dem kleinen Mädchen in der Galerie hängen. Ich fand Chloé, Florent und Reto auf dem Boden sitzend vor. In ihren Händen Bücher mit optischen Effekten. Ich brauchte einige Minuten, bis ich es auch konnte, aber dann war ich überwältigt. Aus Bildern mit bunten Mustern sprangen plötzlich dreidimensionale Bilder hervor! Wenn wir nicht sowieso zu viele Bücher hätten, hätte ich alle vier gekauft. Ich war überwältigt!