Vogelversch***ener 100ster Blogbeitrag

Kurz vor dem Abendessen wurde ich bespritzt. Mein ganzer Arm war besprüht mit unappetitlicher grünlicher Masse. Von Möwenscheisse getroffen zu werden bringt angeblich Glück. Ich hatte insofern Glück gehabt, dass die Möwe meine Haare nicht getroffen hatte und dass ich nicht wie Reto schon den zweiten Tag an Durchfall litt. Er war nicht der Einzige der Probleme hatte, es hatte verschiedenste andere Urlauber auch erwischt. Bisher hatten wir aber noch nicht herausgefunden, was er sich gefangen hatte.

Durchfall oder nicht, wir hatten einen Ausflug in den Nationalpark gebucht. Morgens wurden wir noch vor dem Frühstück abgeholt. Mit einem riesigen leeren Bus fuhren wir zum Nachbarhotel und mussten in einen vollen Kleinbus umsteigen. In diesem konnten wir zumindest Gwendolyns Maxicosi vernünftig anschnallen. Nach einer halben Stunde machten wir einen Kaffeehalt bei einer Tankstelle. Die holprigen Autobahnen waren für uns schon irgendwie absurd gewesen, aber für mich war es das erste Mal vor einer Tankstelle einen bewaffneten Security Guard zu treffen. Ich hatte jedoch keine Zeit mich gross zu wundern, denn ich wechselte im Bus Gwendolyns Windel, huschte kurz aufs stille Örtchen und schon wurden wir wieder in den Tourbus gepfercht. Den schrecklichen Kaffee trank ich unterwegs zu unseren lausigen Hotel-Sandwichs. Nach einer weiteren Stunde Safari, erreichten wir den Nationalpark Los Haitises. Ich schreibe Safari, weil wir immer wieder anhielten, um ortstypische Merkmale zu bewundern. Zum Beispiel den Schuhladen auf einem Motorrad, wobei das Motorrad unter den vielen Sandalen und Hausschuhen kaum zu sehen war und auch von dem Verkäufer gerade einmal der Hut und das Gesicht zu sehen waren. Oder eine Metzgerei, in der das Fleisch ungekühlt unter dem Vordach hängt, wie in allen anderen auch. Ganze Familien fahren auf einem Motorrad samt Gepäck von A nach B, oder vom Spielsalon zum Hahnenkampf – beides Nationalsportarten. «Wenn Sie einen Motorradfahrer mit Helm sehen, sagen Sie mir Bescheid, damit Hannibal anhalten und ich ein Foto machen kann», bat unser Tourleiter Papa José voller ernst!

Im Nationalpark steckten wir Gwendolyn in die Bauchtrage. Wir wurden auf ein Ausflugsboot verfrachtet, das unser Tourfotograf und selbsternannter Clown Popo (sein Spitzname) die «Costa Concordia/Titanic» nannte. Wir erfuhren auch bald warum, denn unser Kapitän rammte schon nach 10 Metern den Stamm eines Mangroven-Baumes. Alles was nicht schon sass, fiel beinahe über die Bänke. Sobald das Bott aber durch den Kanal im Mangrovenwald fuhr genossen wir alle die Fahrt. Gwendolyn schaute neugierig in alle Richtungen und strahlte voller Freude jeden an, der «Kuckuck» und «Dutzidutzi» sagte. Ihr Liebling blieb aber Popo, der Donald Duck nachahmte wie ein Profi. Egal, wie schön die Mangroven waren und wie viele Vögel wir zu Gesicht bekamen, deren Namen wir schon nach kurzem wieder vergassen, Gwendolyn blieb das Highlight der Tour! Die Töchter einer schweizer Familie waren hingerissen. Bei Regen fuhren wir aus dem Wald in die Bucht von Samana, aber schon als wir die Höhlen erreichten wärmte uns wieder die Sonne. Im Kalkstein der hohen Felsenküste haben sich hunderte von Höhlen gebildet, in denen die vor Jahrhunderten die Ureinwohner der Karibik vor den Hurricanes versteckten. Vermutlich um ihre Angst zu vertreiben (oder um die Zeit tot zu schlagen) bemalten sie die Höhlenwände, mit einer Farbe aus Fledermauskacke und Baumrinde. In Grau finden sich nun Schamanen, Haifische, Vögel und undefinierbare Tiere an den Wänden zwischen Kristallen und Tropfsteinen. Die letzten Taino starben nur fünfzig Jahre nachdem Kolumbus die Karibik entdeckt hatte, daher sind die neusten Zeichnungen Graffiti irgendwelcher viktorianischer Touristen. Gwendolyn genoss die Kühle der Höhle – sie schlief ein. Vorbei an den Resten der ersten Dominikanischen Eisenbahn, gebaut zirka 1900 (wahrscheinlich finanziert von schweizer Schokoladenfabrikanten) schipperten wir zurück in den Mangrovenwald. Wickelpause und ab zurück in den Bus. Reto hatte zum Glück erst an der Anlegestelle wieder ein WC gebraucht, für mich reichte die Pipipause allerdings nicht.

Nur eine gute Stunde rumpelte unser Bus vorbei an Urwald und Plantagen bis zu den Yaniguafällen. Traurig war nur, dass bis Gwendolyn und ihre Sieben Sachen ausgeladen waren, die Schlange am Damen-WC schier unendlich lang war. Fünf Frauen brauchen unendlich lange für ihr Geschäft, wenn man seit einer Stunde auf eine Schüssel wartet. Dafür war das Mittagessen ein Knaller!  Wir befanden uns auf einer Bernstein Ranch mit Plantage, von der die Früchte des Mittagessens kamen. Fisch und Hühnchen waren ebenso wie das Kokosbrot in einem offenen Holzherd zubereitet worden. Anschliessend genossen wir eine Führung über die Ranch. Wir probierten Kakaofrucht, rochen an frischem Kaffee und sahen beim Trocknen der Kerne zu. Retos Highlight war das in zwanzig Metern höhe gebaute Baumhaus, welches nur über eine wackelige, steile und glitschige Treppe zu erreichen war. Ich hatte auf der Plattform in siebzehn Meter Höhe genug – mir war das Ding zu dominikanisch gebaut. Dafür genoss ich die heisse Schokolade umso mehr: Gerösteter Kakaobohnenstampf, Wasser und eine Prise Zimt, nichts weiter. Wer wollte konnte Zucker hinzufügen, aber Hard Core Schoggi-Liebhaber wie ich brauchen keinen. Gwendolyn genoss derweil die Inselschönheiten, oder vielleicht eher umgekehrt? Jedenfalls wollten alle Küchenhilfen und Köchinnen einmal das kleine, weisse Baby herumtragen und wir bekamen es mit Mühe zurück bevor unser Busfahrer wieder hupte. Zum Glück nehme ich meine Wickelunterlage überall hin mit, denn in der Dominikanischen Republik sind Wickeltische noch seltener als in der Schweiz. Aber als ich auf der Treppe vor dem Souvenirshop meinen Wickeltisch einrichtete, bekam das Grossmütterchen von nebenan Mitleid. Ich durfte auf ihrem Gartentisch wickeln, umringt von ihren Töchtern und Enkeln, die das süsse, weisse Baby bewunderten. Diesmal hupte der Chauffeur nicht, denn er sah wie alle anderen unserer Reisegruppe lachend zu, wie die Kinder mit Gwendolyn spielten. Schliesslich bekam ich sie zurück und sie schlief den Rest der Busfahrt – erschlagen von Eindrücken!

Wir kamen zum Abendessen zurück ins Hotel, welches wieder enttäuschend war. Der Koch war zwar aus dem Urlaub zurück und das Essen geniessbar, aber da die Karte täglich zwischen mexikanisch, italienisch und spanisch wechselte, hatten wir trotzdem bald die Nase voll. Mittagessen und Frühstück waren sowieso immer gleich. Leider endete ein wunderbarer Tag mit einem Dämpfer. Retos Durchfall kam zurück. Und ich hatte ihn jetzt auch.

Ein Gedanke zu „Vogelversch***ener 100ster Blogbeitrag

  1. inzwischen seit ihr ja schon weiter …
    habt viel Spass, und hoffentlich läuft alles gut bei Euch!

    der Wind in den Segeln der SeaChantey und die Meerluft tut euch sicher gut!

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