Das Flugzeugwrack vor Great Harbor

Wir hatten den perfekten Wind, um zu den Berry Islands südöstlich von Grand Bahama zu gelangen. Abends setzten wir die Segel und hatten eine relativ ruhige Überfahrt. Nur wurde mir sofort schlecht, richtig schlecht, so schlecht, dass ich meine Wache nicht durchhielt. Mein armer Reto bekam in dieser Nacht fast keinen Schlaf, obwohl die Nacht so ruhig war, weil er mich wieder ablösen musste. Ich lag dann mit grünem Gesicht an Deck und entschuldigte mich im 5 Minuten Takt. Es tat mir sehr leid, Reto um seinen Schlaf zu bringen. Trotz Wellen aus einer unpraktischen Richtung schlief Richard hervorragend, weshalb wir ihn nicht zum Steuerdienst verdonnern wollten. Am Horizont tauchten die Lichter von Passagier- und Frachtschiffen auf, die auf Reede lagen, wir passierten sie und sie verschwanden. Reto gab sich alle Mühe zur Verbesserung meiner Lage, aber weder selbst zu steuern noch die Lichter zu beobachten brachten mir Besserung. Mit dem Morgen erreichten wir die Riffe der Berry Islands, welche ich gequält vom Bug aus zu beobachten hatte. Sollten wir auf eine Untiefe zufahren, war es an mir dies zu melden. Jedoch fuhren wir ohne Probleme an unseren vorausbestimmten Ankerplatz und warfen in einer Bucht Anker. Hier schliefen wir den Rest des Tages: Reto, weil er müde war, ich, weil mir noch immer schlecht war und Richard, weil er nichts Besseres vorhatte.

Meine Magengegend hatte sich zwar noch nicht richtig erholt, dennoch wollte ich am folgenden Nachmittag unbedingt mit Reto das Flugzeugwrack ansehen gehen. Richard wünschte sich einen faulen Tag und blieb als Ankerwache zurück. So ruderte Reto mich zum Wrack. In nur 1.5 Metern tiefe liegen die Trümmer einer DC-3, welche in den 80ern abgestürzt war. Wie Reto gelesen hatte, war sie bei einem Drogentransport schlecht notgelandet. Bei Ebbe sticht das eine Triebwerk, oder besser dessen Reste, durch die Wasseroberfläche. Auch machten wir Tragflächen, die Heckflosse und ein Fahrwerk unter Wasser aus, weshalb wir glauben, die Maschine habe sich überschlagen. Nur fotografieren liess sich das Zeitzeugnis nicht, denn die Wellen spiegelten. Wir ruderten weiter zum Strand und spazierten ein Stück, bevor wir uns das blaue Loch ansahen. Es handelt sich um eine besonders tiefe Stelle, weshalb das Wasser dort dunkelblau ist. Die meisten blauen Löcher entstanden als Höhlen während der letzten Eiszeit, welche nun eingebrochen sind. Reto fand es spannend, ich fand es unheimlich. «Hast du Angst, dass dich das Meeresungeheuer frisst, Stefy?», lachte er mich aus. Ich murrte nur, weil ich auch nicht weiss, weshalb ich das endlose blaue Loch unheimlich fand. Ich finde auch Aussichtstürme unheimlich, wenn sie Gitterboden haben und ich sehen kann wie tief es heruntergeht. Jedenfalls war ich dank meines eigenartigen Magens von dem Ausflug vollkommen kaputt, als wir zurückkehrten. Reto planschte dafür noch frischfröhlich im Wasser herum.

Wir verschoben uns am Folgetag in die Marina der Hauptstadt der Berry Islands. Wir reden von einem Dorf mit 800 Einwohnern. Durch einen freigesprengten Eingang gelangten wir in einen natürlichen Hafen, der rundum mit Felsen umgeben ist. Hier bemerkten wir vom Corona-Wahnsinn schon mehr, denn die Restaurants waren geschlossen, nur ein Lieferservice noch möglich und ausser Bootbesitzern gab es keine Touristen. Uns störte es nicht: Bestellten Pizza zum Abendessen und der Besitzer des einzigen geöffneten Ladens fuhr uns Zu Restaurant hoch, wo wir Kotelette und Reis zum Mittagessen abholten. An beiden Gerichten assen wir am nächsten Tag noch. Am Nachmittag leihten wir uns Fahrräder von der Marina und radelten auf die Ostseite der Insel an den Strand. Reto schwamm, Richard fotografierte und ich ging auf Schatzsuche. Seeigel und Meerschwämme fand ich zuhauf, ein Stück Sepia war mir sogar wertvoll genug, dass ich es mitnahm. Als Reto abgekühlt war, radelten wir zurück in die Ortschaft Great Harbor.

Richard gönnt sich einen Drink

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