Die Nordfront

Am Karfreitag würde eine Nordfront mit Winden bis 30 Knoten die Exumas erreichen. Das wussten wir am Dienstag schon. Dennoch hielt ich es für an der Zeit loszufahren. Am meisten war es zu meinem eigenen Leidwesen. An diesem Dienstag zogen regelmässig Regenschauer über uns hinweg. Reto und Dylan segelten praktisch allein, denn ich musste mich regelmässig mit Gwendolyn in der Kabine vor der Nässe verstecken. Im Elizabeth Harbour ging es noch, aber ausserhalb der vorgelagerten Inseln hatten die Wellen genau die Höhe, die ich nicht vertrug. Ich wurde fürchterlich Seekrank in der Kabine, es legte sich kaum, wenn Gwendolyn und ich einmal an Deck sitzen konnten. Gegen Abend blieb das Wetter trocken, weshalb ich mich sosehr erholte, um den Jungs zu helfen in den Rudder Cut zu fahren. Dort warfen wir hinter Rudder Cay den Anker. Weil mit Flut und Ebbe das Wasser durch den Cut (eine Tiefwasserrinne) strömte, drückten Flut und Wind auf unterschiedlichen Richtungen auf das Schiff. Einmal war der Wind stärker, dann wieder die Strömung, weshalb wir die ganze Nacht schaukelten. Reto und ich schliefen kaum, weil wir dem Ankergrund nicht trauten. Entsprechend hart machte uns die gut ausgeschlafene Gwendolyn den folgenden Tag. Zumindest segelte es sich auf der Bankseite der Inselkette wie von selbst und ehe wir uns versahen warfen wir auch schon Anker in Black Point.

Die Crew geniesst das Segeln

Reto ruderte Alianza drei Mal hin und her, bevor ich, das Baby, die ganze Wäsche von vor der Abreise, Ferien in Punta Cana und nach unserer Rückkehr, die Duschsachen und Dylan schliesslich auf dem Pier standen. Sticks, der Kassierer der Rockside Laundry, blinzelte zwei Mal, dann wusste er auch schon, dass die Frau mit dem niedlichen weissen Baby im letzten Sommer den Bauch auf seiner Wiese gesonnt hatte. Nicht nur der Hafen war voller Boote, auch die Wäscherei war voller Segler mit dreckiger Wäsche. Mit sechs von zwölf Waschmaschinen in betrieb kein Problem. Das Problem entstand bei den Trocknern: Nur drei von zwölf funktionierten, mehr schlecht, als recht. Das führte zu einem Stau an den Trocknern, der sich durch den ganzen Tag zog. Zum Glück war ich schon als zweite da gewesen und wurde gegen zwei Uhr am Nachmittag fertig mit der Wäsche! Dylan hatte bis dahin schon die ganze Ortschaft erkundet und eine Dusche genommen. Reto und ich duschten im Anschluss und nacheinander, so konnte Reto Gwendolyn waschen und ich übernahm das trocknen und anziehen. Alle wieder sauber, setzte uns Reto über. Da wir ja wussten, dass starker Wind auf uns zukommt, hängten wir zwei Anker hintereinander und ankerten nahe der Küste zwischen einem Katamaran und einem Segelboot.

Am nächsten Morgen blies der Wind schon ordentlich aus Norden. Zu unserer Verwunderung hatte sich unser Abstand zum Segelboot nicht verändert, während der Katamaran uns beim Drehen des Windes unangenehm Nahe gekommen war. «Das ist ein bisschen Nahe», meinte die Frau auf dem Doppelrumpfboot zwei Mal unterschwellig, bevor ihr Mann explodierte. «Wir waren zuerst hier! Verschwindet! Ich will mehr Kette ausgeben!» Nach Retos Schätzung hatte er mehr als genug Kette draussen, da er solch einen enormen Schwingraum abdeckte. Aber um des Friedens Willen machten sich die diplomatischen Schweizer und ein sehr beschämter amerikanische Hitchhiker daran, bei Wind und Wellen zwei Anker herauf zu wuchten. Glücklicherweise hatten wir niemanden hinter uns und konnten einige Meter zurückdriften bevor Reto die beiden Anker einfach wieder fallen liess. Hätten wir beide komplett hochholen müssen, hätten wir eine gute Stunde sehr gefährlich herummanövrieren müssen, wie Reto der Frau auf dem Katamaran zu erklären versucht hatte. Wir ärgerten uns noch lange über den kleinen Streit, der mit ein paar höflichen Worten und kurzer Diskussion nicht hätte sein müssen. Wieder einmal hätten wir uns dieses Problems gern mit einer Kanone beholfen – zum Glück sind die Dinger zu teuer.

Als der Wind am Ostersonntag zurückging, war der Katamaran verschwunden, ehe wir den Kopf aus der Luke reckten. Kurzerhand wasserten wir das Dinghy. Reto ruderte uns zum nahen, aber im Luv liegenden Strand. Bei Lorraine’s Mutter holten wir Kokosnussbrot. Dann marschierten wir zur Ozeanseite der Insel. Nach kurzer Zeit war das Blow Hole gefunden und wegen des starken Windes der Vortage, blies es regelmässig und kräftig. Die Männer erkundeten die Umgebung, während das Baby und ich es uns gemütlich machten. Bis wir zurückkehrten hatte die Flut den Strand unter Wasser gesetzt und wir wateten durchs Wasser zurück zu Alianza.

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