Wir verbrachten insgesamt drei Tage in Portsmouth und brachten Sea Chantey auf Vordermann. Der Sturm, den wir abwarten wollten, war in der Wenworth by the Sea Marina kaum zu spüren und die Tage trocken. Während draussen der Sturm tobte, schraubte Reto in aller Seelenruhe zwei unserer Bullaugen auseinander. Diese sind leider nicht ganz dicht. Zumal wir in Rockland die passenden Schrauben bekommen hatten, zerlegte Reto die Bullaugen, schmierte die Ränder grosszügig mit Sikafelx (wie Kit, nur für Boote) ein und Schraubte alles wieder zusammen. Nicht ohne unsere Bootseite schwarz mit Sikaflex einzukleistern, aber dicht ist dringender als schön. Ich wusch restlos alles, was es nötig hatte. Die Wäsche ist nun wieder für Wochen erledigt, aber mit dem Abwasch übertrieb ich offenbar, denn ich leerte am zweiten Abend unseren Süsswassertank. Glücklicherweise hatten wir noch Trinkwasser an Bord, denn die Marinas schalten im Herbst das Wasser aus, damit es nicht in den Rohren gefriert. Mit vierzig Liter Süsswasser brachen wir an einem windigen zur nächsten Marina auf.

Wir liefen an diesem Tag nur unter Vorsegel, erreichten unser Ziel aber nach zwei Drittel der vorberechneten Zeit. Wir hatten kühlen Rückenwind und Wellen von hinten mit bis zu vier Metern Höhe. Sea Chantey schaukelte sehr und das Steuer war schwer zu bewegen. Dennoch übernahm ich das Ruder, weil ich fürchtete seekrank zu werden. Angestrengt hielt ich den Kurs unter grossen Bemühungen, während Reto sich ausruhte und sich digital die Hafeneinfahrt genauer ansah. Wir erreichten die Bucht bald, aber den Hafen konnten wir nicht ausmachen. Wir sahen einige Häuschen am Land, den riesigen Felsen, neben dem die Hafeneinfahrt sein müsste, und als wir dem Felsen schon sehr nahe waren, den Wellenbrecher. Inmitten von 1.5 Meter hohen Wellen holten ich das Segel ein und Reto steuerte uns in die scheinbar winzige Hafeneinfahrt. In dem engen Hafen war der Wind kaum zu fühlen, doch war er vollgestopft mit Fischerbooten. Der Harbormaster von Rockport, Scott, band uns daher neben einem roten Schuppen an einen steinernen Pier mit einer Leiter. «Das Motiv» nennen die Leute dieses auffällige Holzgebäude, welches das beliebteste Postkartenmotiv in Neuengland ist. Kaum war unsere hübsche Sea Chantey daran angebunden und unser Verlängerungskabel direkt am Schuppen eingesteckt, tauchten im 5 min Takt Leute auf, die Boot und Schuppen auf einem Bild haben wollten. Wir interessierten uns aber nicht dafür, denn die leuchtend geschmückten Häuschen der Innenstadt reizten uns zu einem Spaziergang. Eng und gemütlich standen sie beieinander und verbreiteten Weihnachtsstimmung, wie ein Weihnachtsmarkt. In Auntie Annies Apotheke kauften wir Honig und eine halbe Stunde diskutierten wir mit einem Lederwarenhändler, bevor wir Thanksgiving im Fish Shak verbrachten. Statt Truthahn gab es Pasta.

Als wir Scott am nächsten Tag per Funk nach der Rechnung fragten, meinte er wir bräuchten nichts zu zahlen. «You looked beautiful where you were!» Wir bedankten uns herzlich bevor wir auf dem künftigen Postkartenmotiv in See stachen. Der Tag war wieder windig, die Wellen nicht ganz so hoch und kühl, aber auch an diesem Tag rasten wir übers Wasser. Der Wind blies uns förmlich ans Ziel – kaum hatte Reto mich wieder abgelöst, zerrte ich das Vorsegel und Reto das Besansegel herunter. Rechtwinklig stachen wir durch den Kanal in den Scituate Harbor (gesprochen «situate»). Im Gegensatz zum lebendigen Rockport war hier alles geschlossen und leer, was mit Booten zu tun hatte. Doch als wir entschieden vorerst am Fuel Dock neben einem Restaurant festzumachen, winkte uns ein Pärchen vom Land aus. «Do you need help?» Sie fingen am Dock unsere Leinen auf und vertäuten uns. Ob wir eine Tasse Suppe nötig hätten? Ja, hatten wir. Zu heisser Suppe konnten wir nicht Nein sagen. Hafenmeister fanden wir auf die Schnelle keinen, daher verfrachtete uns das Pärchen, das sich als Blake und Jill vorstellte, in ihr Auto. Während Blake mit uns über ihr Haus plauderte, deckte Jill uns mit Suppe, Süssmost und Kaffee ein. Danach setzten wir uns ins Wohnzimmer, diskutierten übers Reisen und verglichen USA und Schweiz. Sie hatten schon in der Schweiz Ferien gemacht, weshalb wir uns gegenseitig Orte auf einer Karte zeigten, die ich uns zeichnete. Im Handumdrehen war es spät in der Nacht ohne dass wir es merkten. Wir versprachen unseren Gastgebern ab und zu eine E-Mail zu schreiben, bevor sie uns am Fuel Dock absetzten. Jemanden, der Geld für die Übernachtung kassierte, fanden wir am nächsten Morgen.
