Shipwreck Bay

Vor August würde Gwendolyn kein Visum bekommen, also hatten wir auch keinen Grund länger in Nassau zu bleiben. Eine Weile spielten wir mit dem Gedanken einen Umweg durch die Abacos zu machen, aber Sea Chantey braucht neue Farbe und neuen Lack. Also proviantierten wir das nötigste und stachen in See. Der Wind blies ordentlich und wir machten gute Fahrt, nur eine Stunde bevor wir unser Ziel erreichten, drehte er uns entgegen, anstatt dass er wie laut Vorhersage einfach aufhörte zu blasen. Durch den Kanal zwischen den Riffen hindurch, hätten wir aber sowieso den Motor gestartet. Entgegen Retos Erwartung war das Wasser in der Bucht sehr ruhig und der Ankergrund gut, doch die vielen Wracks verursachten ein ungutes Gefühl. Dennoch schliefen wir sicher zwischen fünf anderen Yachten. Eigentlich hätten wir am folgenden Morgen schon weiterfahren wollen, aber wenn der Wind sich ändert, ändern sich auch die Pläne. Stattdessen liessen wir unser Dinghy ins Wasser. Reto brachte uns von Wrack zu Wrack und wir diskutierten was diese armen Schiffe wohl versenkt hatte. Zwei Schlepper lagen vor einem riesigen Industriedock, daneben eine zerstörte Motoryacht. Auf dem achtzig Meter langen Frachter hätten wir uns gern umgesehen, da dessen Löcher aber mit unendlich vielen T-Shirts gestopft waren und mit einer Pumpe an einem Feuerwehrschlauch das Wasser ausgepumpt wurde, sahen wir davon ab. Nun ruderte Reto uns an den Strand, wo wir weitere drei Wracks fanden. Im Süden auf dem Fels lag ein wunderschöner Schlepper, allerdings überquerten wir zunächst die Strasse. Kaum 50 Meter landeinwärts suchten wir den Eingang zu einer grossen Höhle. Morgans’ Bluff wurde sie genannt, allerdings halte ich die Geschichte von Henry Morgan, der hier sein Unwesen getrieben haben soll, für unwahrscheinlich. Es war nicht der Stil des Freibeuteradmirals auf Beute zu warten, er ging dort hin wo Beute war. Und obwohl die Höhle mehr Fläche als Retos viereinhalb Zimmer Wohnung hatte, hätte man dort wohl keine ganze Schiffsladung verstecken können. Ich war fasziniert von dem Loch im Boden, durch welches man in die Höhle kletterte und die Wurzeln der Bäume, die durch die Decke wuchsen. Mit einigen Fotos kehrten wir an den Strand zurück und gingen zu Fuss zum Wrack des schönen Dampfschleppers. Es tat uns weh, das wunderschöne, alte Schiff auf dem Fels liegen zu sehen, den der Rumpf war noch äusserst gut in Takt und auch die Aufbauten sahen aus, als ob ein bisschen Liebe und Pflege sie retten könnte. Doch wie das Schiff von seinem Felsen ziehen? Auch hier konnten wir nicht an Bord klettern, weil die Bordwand zu hoch war. Als wir mit Alianza zurückkehrten, sahen wir, dass auch Ruder und Propeller in erschreckend gutem Zustand waren. «Bath» ging uns noch Tage lang nicht aus dem Kopf!

Wegen der ändernden Windrichtung mussten wir uns einen anderen Ankerplatz suchen und verschoben nach einem wunderbaren Tag des Segelns nach Whale Cay in den südlichen Berry Islands. Auch hier dachten wir noch an «Bath». Schliesslich befragte Reto die Google-Suchmaschine und förderte schockierende Nachrichten zu Tage. «Bath» hatte Baujahr 1908 und hatte Schiffe und Plattformen herumgeschoben bis sie in Andros Island aufgelaufen war. Laut Internet war sie 2008 nach Haiti verkauft worden, womit ihre Geschichte im Internet endete. Ja, wir waren schockiert! Wie konnte man ein solches Stück Geschichte nach Haiti verkaufen? Und wie konnte man es auf einem Felsen liegen lassen? Wir waren erschüttert! Aber wir konnten nichts dagegen tun, als uns daran zu gewöhnen, dass «Bath» auf ihrem Felsen verrotten würde. Zumindest bis Reto den Lotto-Jackpot gewinnen würde.

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