Unterwegs nach Shroud Cay hatten wir endlich einmal wieder den passenden Wind um zu Segeln. Wir nutzten die Chance um unseren «Flieger» auszuprobieren (das Vorklüverstagsegel, das vorderste Segel ohne Baum). Da Reto erst auf Nassau die Zeit gehabt hatte dessen Cover zu vollenden, hatten wir es während der bisherigen Reise nicht geriggt. Wie üblich setzten wir von hinten nach vorne die Segel, weshalb das Vorsegel schon gesetzt war bis ich den Flieger vorbereitete. Mit der doppelten Anzahl Leinen vor dem Grossmast, war es kein Wunder, dass diese durcheinander gerieten. Auch wurde das Lösen der verklemmten Haken zum Hochseilakt, welche das Segel am Vorstag verhingen, wie die Ringe eine Gardine an der Stange. Das Vorsegel war mir beim Klettern im Weg und die wirklich moderaten Wellen schüttelten mich fast vom Bugspriet. Doch endlich hatte ich alle Verklemmungen und Leinen gelöst und setzte den Flieger. Nun hätte ich es fieren sollen, im also Leine geben, damit es den richtigen Winkel zum Wind bekam. Aber Retos Langspleis war zu dick, um über die Rolle zu laufen!!! Weil eine Maus im vorletzten Winter die Schotten des Segels gleich doppelt durchgeknabbert hatte, hatte Reto dieses an zwei Stellen wieder zusammengefügt, weshalb die Leine an den Fügestellen nun doppelt so dick war. Aber woher hätte er wissen sollen, dass es zum führen des Segels die ganze Leinenlänge brauchte? Der Flieger flatterte nun wild und die Schotten verhedderten sich in den anderen Leinen. Noch dazu verklemmte auch die Leine, mit der man das Segel wieder hätte bergen können, ohne auf den Bugspriet klettern zu müssen. Nun musste auch Reto mit Hand anlegen und gemeinsam rangen wir den Flieger nieder. Danach hatten wir unser Mittagessen nötig.
Ich hatte an diesem Tag etwas sehr Dummes getan – nämlich hatte ich mich zum Segeln weder angezogen, noch mit Sonnencreme eingecremt. Ihr ahnt es… Ich holte mir einen wüsten Sonnenbrand! Das Gesicht und die Stellen, die normalerweise keine Sonne zu sehen bekommen, glühte rot und schmerzte, bevor ich mich nach Tagen zu Häuten begann wie ein Drache. Es dauerte die ganze Woche bis der Sonnenbrand verheilt war und ich wieder bequem sitzen konnte, während sich bei Reto «nur» das Gesicht schälte. Dafür achten wir seither wieder penetrant auf den Sonnenschutz und lassen Retos Sonnensegel aufgespannt, wenn wir uns bei Flaute mit dem Motor bewegen. Manchmal müssen wir Sturköpfe die Dinge auf die harte Tour lernen!
Shroud Cay ist eine der nördlichsten Inseln des «Exuma Land and Sea Nationalpark». Sie hat zwei niedliche Lagunen voller Mangroven umgeben von Hügeln, weshalb sie mich an einen Topf erinnerte. Durch mehrere kleine Wasserläufe strömt die Flut in die Insel und wieder heraus. Der Nationalpark besitzt verteilt zwischen den Cays einige Moorings, von denen wir uns eine schnappten statt zu ankern. Nur der Briefkasten am nahen Strand, in dem man die Liegegebühr deponieren kann, hatte keine Umschläge mehr auf denen normalerweise die entsprechende Gebühr vermerkt ist und auch sonst keine Preisliste. Schulterzuckend machten wir uns auf um die Insel zu erkunden. Ein zugewachsener, steiler Weg führte zu einem «Well», einem Wasserloch mit Süsswasser, welches manchmal zu einem richtigen Brunnen ausgebaut wurde. Diese Löcher schienen eingestürzte Höhlen im Kalkgestein zu sein, die von oben mit Regenwasser gefüllt wurden und wegen ihrer tiefe nicht austrockneten. Statt nur dem einen mit dem Brunnenrand fanden wir mindesten Zehn volle und unzählige trockene Löcher im Boden, weshalb wir uns sehr vorsichtig durch die Büsche bewegten. Hier konnten vorbeikommende Boote Wasser schöpfen, allerdings muss dieses zumindest Filtriert und Abgekocht oder 50/50 mit Rum vermischt werden, damit ein Matrose davon nicht Durchfall bekommt. Aus Neugierde schöpften auch wir Wasser aus dem Brunnen, probierten aber nur ein kleines Schlückchen – nicht salzig! Zum Abkühlen am Abend badeten wir am Strand und ich baute zum ersten Mal seit Jahren eine Sandburg, bevor wir uns wieder zurückzogen.
